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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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seiner Münzen über den Tresen rollen. Der Wirt sah hohlwangiger und augengeränderter aus als jemals ein anderer seines Gewerbes. Stenrei bekam eine Kammer unter dem Dach und rollte sich auf einer Strohmatte zum Schlafen zusammen. Draußen irrlichterten noch eine Weile lang die Fackeln, dann wurden es immer weniger, als würde der Regen die Oberhand gewinnen. Irgendwann war Dunkelheit.
    Mitten in der Nacht jedoch schreckte er auf: Ein furchtbares Heulen gellte durch das Dorf. Dann ein Gurgeln. Dann wieder das Heulen.
    Was war das? Er wünschte sich, wie ein richtiger Mann wenigstens zum Schwert greifen zu können, wenn etwas Bedrohliches geschah. Zur rot verzierten Klinge .
    Er war beinahe der einzige Gast in der Herberge, deshalb herrschte im Schankraum keine Aufregung. Aber der Wirt kam ihm auf der Stiege entgegen, im Nachthemd, mit einer Kerze in der Hand. »Wir hören es alle«, sagte er. »Es ist der Sterbende.«
    Stenrei wusste nicht, was er tun oder sagen sollte. Kuntelt war ein so furchtbar kleines Dorf. Deshalb fragte er: »Ihr kennt ihn gut, oder?«
    Der Wirt nickte nur und wandte sich ab, damit sein Gast seine Tränen nicht sehen konnte.
    Stenrei ging wieder in seine Kammer und legte sich hin.
    Das Heulen, das in Gurgeln mündete. Noch dreimal. Dann kehrte Stille ein, legte sich wie ein nasses Bahrtuch über diesen unheilschweren Ort.
    Und doch nicht völlige Stille. Irgendetwas regte sich dort draußen auf der Straße, noch bevor der Morgen dämmerte. Stenrei hörte ein Schnauben und Stimmen. Er huschte zum Fenster, blinzelte hinaus ins tropfende Schwarz.
    »Es ist das Pferd!«, hörte er rufen. »Das Pferd ist zurück!«
    Das Pferd! Stenrei spürte, wie die Hoffnung in ihm Halt fand. Erenis war wieder zu Fuß unterwegs.
    Aber warum?
    War sie abgeworfen worden? Oder hatten Büttel mit ihren Armbrusten sie vom Pferd geschossen?
    Am Morgen gab es im Schankraum mehrere Meinungen. Die Büttel konnten eigentlich nichts damit zu tun haben, Drutau war zu weit weg. Entweder hatte das Pferd die Teufelin abgeschüttelt, oder sie hatte es absichtlich zurückgeschickt. Weshalb? Um keinen Pferdediebstahl auf dem Kerbholz zu haben? In Bezug auf das Erschlagen der Dörfler konnte sie sich vor der Gerichtsbarkeit des Hochadels immer noch auf einen zuerst gerechten Wettkampf – sogar sie alleine gegen zwei – berufen, dann auf Notwehr. Ein Pferdediebstahl jedoch wog schwer in einem Landstrich, in dem ein solches Arbeitstier einem Landmann die gesamte Familie ernähren half.
    Einer der Dörfler hatte die Idee, dass die Teufelin das Pferd zurückgeschickt hatte, um schwerer verfolgt werden zu können. »Der Boden ist aufgeweicht, der Regen jedoch hat aufgehört. Hufe hinterlassen eine viel deutlichere Spur als Füße.«
    Stenrei schlang seine Eier mit Schinken hinunter und machte sich dann wieder auf den Weg. Um einer Spur zu folgen, die der Regen vielleicht schon wieder fortgescheuert hatte, wie seine Mutter die Arbeitsschuhabdrücke seines Vaters in der Guten Stube.
    Er fand nicht eine, sondern sogar zwei noch frische Hufspuren, die in derselben Richtung aus Kuntelt hinausführten.
    Natürlich, dachte er grimmig. Der Bote, der die Büttel aus Drutau holen sollte, war ebenfalls beritten! Eine dieser Spuren führt also auf direktem Weg nach Drutau. Aber ob Erenis denselben Weg genommen hat? Weiß sie überhaupt, dass es in Drutau eine kleine Garnison gibt? Oder ist es ihr egal? Will sie sich vielleicht sogar mit einer Garnison anlegen? Die Büttel sind gewiss die stärksten Männer eines Dorfes.
    Er war noch gar nicht lange gewandert, als ihm von vorne ein kleiner Trupp Reiter entgegenkam.
    Das waren sie. Die Büttel!
    Sie hatten sich Zeit gelassen. Wenn sie sich beeilt hätten, hätten sie schon vor dem Morgengrauen in Kuntelt eintreffen können. Oder aber sie hatten Erenis bereits verfolgt oder waren an sie geraten und dadurch aufgehalten worden. Der normale Ablauf wäre das aber nicht. Nach allem, was Stenrei über Büttel wusste, würden sie erst mal nach Kuntelt reiten, Zeugen befragen, ein Protokoll aufnehmen und dann erst die Klingentänzerin verfolgen.
    Es waren vier Reiter. Drei Büttel und ein Zivilist, wahrscheinlich der Kuntelter Bote.
    Stenrei ließ sie passieren, machte weit Platz, denn die Hufe ihrer Pferde schleuderten Matsch umher. Die Reiter betrachteten ihn argwöhnisch, und er sie ebenso. Er suchte nach Spuren eines Kampfes an ihnen und fand keine. Der Zivilist sah übernächtigt und zerknirscht

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