Klingenfieber: Roman (German Edition)
heraus.
Ich vermisste Herausforderungen. Und die Sprache, die ich am besten zu sprechen verstand, war die des Schwertes.
Den Rest kannst du dir denken.
Ich tanzte noch ein wenig. Machte Schaukämpfe.
Doch die Kerle ließen mich einfach nicht in Ruhe. Jetzt, wo nicht einmal mehr Sesla im Hintergrund auf mich achtgab und den Männern einen gewissen Respekt vor alten und mütterlichen Frauen abverlangte, gab es für die Horde kein Halten mehr. Sie haben keinen Respekt vor Frauen, die jung sind und ihnen gefallen. Sie glaubten, mich nehmen zu dürfen.
Also schlug ich einen, und er lachte und wurde noch gieriger. Er zerrte an mir und legte mich frei, vor all den gaffenden Augen. Bis ich ihn tötete. Damit ließ er ab von mir und jeder anderen auch.
Dann kam noch einer. Auch den brachte ich um. Und es war besser hinterher. Es fühlte sich gut an. Als wäre da vorher ein Unruheherd gewesen, eine hässliche Quelle des Aufruhrs und des Unangenehmen, und hinterher lag der Teich still und friedlich unter dem Mondschein. Kannst du verstehen, was ich meine?«
»Ja. Das … Bedrängtwerden hört schlagartig auf.«
»Das ist tatsächlich ein gutes Wort dafür. Schlagartig . Und dann dachte ich, dass dies meine Aufgabe sein könnte. Ich bin dafür ausgebildet worden, in Kämpfen zu siegen. Mein Aussehen und Auftreten sorgen offensichtlich dafür, dass Männer mich erst besiegen und dann haben wollen. Also appelliere ich an ihren Stolz und ihre Eitelkeit und werfe sie nieder. Und reinige dadurch das Land von all diesem breitbeinig unnützen Krawall, für den sie stehen.«
»Aber … wenn du mir diese Bemerkung gestattest: Es sind doch nicht alle Männer vorlaute Angeber.«
»Das weiß ich. Ich gehe ja auch nicht umher und rotte alle Männer aus. Nur die, die der Meinung sind, weil sie ein Mann sind und ich eine Frau, könnte ich sie nicht besiegen.«
»Aber … nicht alle Männer kämpfen aus diesem Grund gegen dich. Wenn du ein Mann wärst, und du würdest dich mitten auf dem Marktplatz aufstellen und eine Herausforderung aussprechen, würden sie auch gegen dich antreten. Um sich zu messen. Um zu sehen, ob sie stärker oder schwächer sind als du.«
»Das weiß ich auch. Und anfangs hatte ich vor, meine Gegner nicht alle zu töten. Die Lektion, die ich ihnen erteile, ist ja eigentlich noch eindrücklicher, wenn ich sie in ihrer Schmach am Leben lasse. Aber in jedem Kampf gibt es einen Moment, an dem das ganze Geschehen kippt. Das ist dir sicherlich noch nicht aufgefallen. Vielleicht ist das von außen auch gar nicht wahrzunehmen. Man muss ihnen dabei in die Augen sehen, tief hinein. Da gibt es dann diesen Moment, an dem sie wütend werden und fassungslos … und gierig … und lüstern gleichzeitig. An dem sie denken, jetzt könnten sie es mir richtig besorgen, weil es das wäre, was ich in Wirklichkeit nötig hätte. Und in diesem Moment beschließe ich jedes Mal aufs Neue, dass sie tot besser dran sind als lebendig. Und die Welt ohne sie ein besserer Ort.«
»Heißt das, jeder bekommt eine Chance zu überleben?«
»Theoretisch ja. Aber sie sind alle Männer. Sie machen alle denselben grobschlächtigen Fehler.«
»Was, wenn du einem begegnest, der sich nichts aus Frauen macht? Der Männer mag und deshalb diese Gier nicht hat?«
»Auch der ist als Mann aufgewachsen und erzogen worden. Er glaubt, einer Frau überlegen zu sein. Und er wird denselben Moment des Umkippens haben wie alle anderen auch.«
»Aber dann ist es nicht seine Schuld. Sondern die Schuld seiner Erziehung. Seiner Eltern!«
»Er könnte das doch ablegen. Er könnte anerkennen, dass ich gut bin, besser als er. Er könnte die Knie beugen und sagen: ›Ich gebe mich geschlagen, denn du bist mir überlegen‹. Dann würde ich ihn selbstverständlich nicht töten. Wozu denn auch?«
Stenrei ruckelte im Sitzen unruhig hin und her. »Das mit dem Ablegenist leichter gesagt als getan. Du kannst ja auch nicht ablegen, als was du ausgebildet wurdest, nämlich als Klingentänzerin. Du bist das und tust das weiterhin an jedem einzelnen Tag. So, wie ich nicht ablegen kann, der Sohn von zwei Niemanden aus Bosel zu sein. Ich kann nicht von einem Tag auf den anderen ein anderer oder sogar ein bedeutender Mensch werden. Dazu gehört lange, harte Arbeit und viel Geduld.«
Erenis lächelte, unter dem Sternenlicht beinahe unsichtbar. »Du erwartest, dass ich Geduld habe mit den Männern?«
»Ja, warum nicht?«
»Du hast es immer noch nicht richtig verstanden.
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