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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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folgte ihr weiterhin. Mal ging er voran und machte sich bei der Erkundung eines Ortes wichtig. Mal folgte er ihr im Abstand von mehreren Hundert Schritt. Mal versuchte er wieder, sie in ein Gespräch zu verwickeln. Aber sie ging nicht darauf ein. Sie wollte ihre Aufmerksamkeit nicht verlieren, denn etwas lag in der Luft. Schon zweimal hatte sie nun – einmal in der Nacht und einmal am helllichten Tag – ein keifendes, wie überschnappendes Heulen im Wind vernommen, und beide Male hatte ihr Bauch sich ungut verkrampft. Sie wusste nicht, was das war, aber sie glaubte ahnen zu können, dass es Unheil bedeutete. Das bohrende Fragen des Jungen störte sie da nur, also absolvierten sie beide die nächsten drei Dörfer und die nächsten drei Beweise mehr oder weniger schweigend.
    Dann gewann das Heulen Gestalt.
    Genauer: Gestalt en .
    Es handelte sich um Hunde. Um eine Meute, wie sie auf Treibjagden verwendet wurde.
    Mitten in der Nacht – sie schliefen unter freiem Himmel, das nächste Dorf war noch weit, der Mond schmal und wie eine Klaue gekrümmt und hinter Wolken kaum zu sehen – klaffte das Heulen auf wie eine Tür und war auf einmal ganz nahe. Ihr Schwert flog in Erenis’ Hand.
    »Was …?«, fragte der schlaftrunkene Junge, doch sie wartete nicht, bis er richtig wach wurde. Sie rannte den Hunden entgegen, wusste, dass sie eine Übermacht bedeuteten, der schwer Herr zu werden wäre, wenn sie zusätzlich durch Männer und vielleicht auch noch Schusswaffen verstärkt wurden.
    Der Hundeführer war beritten. Um sein Pferd herum kläfften und zerrten fünf schlanke Jagdhunde an bis zum Bersten gespannten Leinen. Die Leinen waren ein Glück, denn sie hinderten die Hunde an allzu schwungvollen Bewegungen. Erenis brach aus dem Feld hervor wie ein Überfall, dabei war sie es, die gejagt wurde. Zwei der Hunde waren tot, noch bevor der Hundeführer in der Dunkelheit richtig reagieren konnte. »Fasst!«, befahl er heiser. Das war seine letzte Äußerung, denn Erenis war bereits an ihm dran und schob ihre Klinge durch seinen Gaumen hoch ins Hirn.
    Kurz überlegte sie, jetzt aufs Pferd zu springen und ohne den Jungen zu entkommen. Was scherte sie, was auch immer die Büttel mit ihm anstellen mochten? Doch sie sah die Schatten weiterer Berittener, mindestens drei, sie sah diese mit den typisch verschränkten Bewegungen nach Armbrusten greifen, und sie würde auf dem Rücken eines Pferdes selbst im spärlichsten Mondlicht ein viel zu gutes Ziel abgeben.
    Sie benutzte das Pferd als Deckung. Wehrte sich gegen die Hunde, erschlug einen, erstach den zweiten, der dritte und letzte war schwierig, denn er verstand sich aufs Ausweichen, war vielleicht sogar für den Kampf gegen einen Bewaffneten ausgebildet worden. Eine Armbrust klackte. Ein Bolzen fuhr irgendwo in den harschen Weg. Im Hintergrund rief der Junge: »Erenis?« Gut so. Er würde für zusätzliche Verwirrung und Aufteilung sorgen damit.
    Das Pferd tänzelte vor Angst. Erenis tauchte durch sein Gestrüpp wankelmütiger Hufe und griff den nächstbesten Schatten an. Auch dieses Pferd scheute. Ein Schuss ging deswegen daneben, sehr dicht an Erenis vorbei. Sie durchbohrte den Büttel von schräg unten. Es kam ihr vor, als machte dies kaum einen Unterschied. Büttel und Inspizienten waren keine zählbaren Beweise, denn sie wuchsen immer wieder nach, füllten ihre Reihen neu, erstanden mit neuen unwichtigen Gesichtern wieder auf, fast wie dieser unheimliche Mönch. Wieder ein Armbrustklacken. Das neue Pferd wieherte. Der Hund. Den hatte Erenis fast vergessen. Er verbiss sich in ihr Bein, aber das stramme, zähe Leder ihrer Hose schützte sie. Dumm von ihm sich zu verbeißen. Jetzt hatte sie ihn und war dadurch die Hunde los.
    Zwei Schatten kamen durch die Nacht auf sie zu. Abgestiegen, die Dummköpfe. Oder sie waren von Anfang an nur Fußvolk gewesen und hatten nebenhergehen müssen.
    »Erenis?«, fragte der Junge noch einmal, seine Stimme nun aber deutlich unsicherer, denn das Klacken der Schusswaffen und das winselnde Keuchen des letzten Hundes musste er doch gehört haben.
    Sie tauchte zwischen die beiden Fußsoldaten. Schaufelte den einen nach links und den anderen nach rechts, das Schwert führend wie eine Schere, mit der man verbindende Fäden durchtrennte.
    Die Büttel fielen. Vor ihr war einer zu Pferde, hoch unter dem dünnen Mond, der nachgeladen hatte und sehr besonnen auf sie anlegte. Sie wich zurück. Nahe an ein Pferd, an die Bewegung des sehr großen Leibes.

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