Klingenfieber: Roman (German Edition)
obwohl es ihn schon lange nicht mehr gab.
Die Männer waren tatsächlich der einzige Grund, weshalb ich die Dörfer zu hassen begann. Alle Dörfer waren gleich, sie unterschieden sich nur durch ihre Namen, und selbst diese Namen hatten keinerlei Bedeutung. Genau wie hier, in diesem Landstrich, in dem wir gerade unterwegs sind. Und in all diesen Dörfern gibt es immer einen Maulhelden, der sich vor allen anderen als der Heldenhafteste brüstet. Die meisten von ihnen haben niemals in ihrem Leben etwas Heldenhaftes geleistet, aber sie tun so, als ob, und die Dorfmenschen, die etwas Getanes nicht von etwas Behauptetem unterscheiden können, ducken sich vor ihnen. Ducken und nicken.
Sesla und ich zogen mehrere Jahre umher. Alle Münzen, die ich heute noch mein Eigen nenne, stammen aus dieser Zeit. Wir haben ausgezeichnet verdient mit meinem Tanz.
Irgendwann wurde es mir langweilig, nur zu tanzen. Ich forderte Männer zum Kampf heraus, gegen Münzen, die sie gewinnen konnten. Das waren nur Schaukämpfe, mit stumpfen Schwertern, die Seslas Mann zum Üben benutzt hatte. Aber diese Kämpfe waren sinnlos. Ich gewann sie alle, aber die Maulhelden standen immer wieder auf und prahlten, dass sie mich mit Leichtigkeit hätten besiegen können, wenn ihre Ritterlichkeit es ihnen nicht untersagt hätte, gegen ein ›Mädchen‹ Ernst zu machen. Ich forderte sie auf, die Ritterlichkeit zu vergessen und Ernst zu machen, doch sie lachten mich nur aus und behaupteten, dass es gar nicht möglich sei, dass eine Frau einen Mann besiege. Dabei war es so einfach. Es war viel einfacher, Männer zu besiegen als meine Schwestern in der Schule.
Viele Nächte konnte ich vor Zorn kaum schlafen. Ich knirschte mit den Zähnen und wünschte mir nichts sehnlicher, als einen dieser Prahler vor den Augen seiner Zechkumpane in Stücke zu hacken.
Doch Sesla hielt mich immer wieder im Zaum. Sie fing mich ab mit ihrer versponnenen Freundlichkeit. Selbst wenn sie mit mir einig war, dass die Welt ohne solche Kerle eine bessere wäre, lachte sie doch immer noch darüber und sagte: ›Die meisten Männer sind nun einmal so, was soll man machen? Und überleg doch mal: Wäre die Welt nicht ein schrecklich leeres Ödland ganz ohne Männer?‹
Ich war nicht ihrer Meinung. Eine Welt, in der es nur noch Schwestern gäbe, erschien mir als wünschenswerte Vorstellung. Überhaupt war mir der Nutzen von Männern noch nie ersichtlich gewesen. Ugon Fahus war zwar ein guter Ausbilder gewesen, aber schließlich verhökerte er seine Schülerinnen, sein Lebenswerk einfach an den Meistbietenden. Ich fand und finde noch immer, dass diese Schäbigkeit den Wert eines guten Ausbilders bei Weitem übersteigt. Und ich empfinde selbst für diesen Mann, der eine Zeit lang wie ein strenger Vater zu mir war, inzwischen nicht mehr als Verachtung.«
Sie schwieg. Die Sterne über ihr funkelten wie in Bewegung.
»Wie endete es?«, fragte Stenrei. »Was wurde aus Sesla?«
»Sie starb. Sie war alt.
Die Aufregung des Reisens und des Münzverdienens wurde irgendwann zu viel für sie. Es ging sehr schnell. Sie erkältete sich im Regen, war bereits geschwächt durch unser hektisches, geradezu gieriges Von-Markt-zu-Markt-Eilen. Sie wurde bettlägerig, ich blieb eine Woche bei ihr in einer schäbigen, zugigen Herberge. Sie starb. Das hatte ich nicht für möglich gehalten. Dass man einfach so sterben kann. Ich dachte immer, man braucht ein Schwert dazu. Aber mit einem Lächeln und dem Namen ihres Mannes auf den Lippen endete ihr Leben, mitten im Blick, während sie mich anschaute. Plötzlich war da nichts mehr. Und alle ihre Münzen gingen in meinen Besitz über. Es waren so viele, dass ich einen Teil davon sogar vergraben musste.«
Sie musterte Stenrei, ob sich auf seinem Gesicht ein besonderes Interesse an ihrem vergrabenen Wohlstand zeigte, doch er machte sich nichts aus Münzen. Er machte sich nur etwas aus ihr.
»Und dann?«, fragte er. In dieser Nacht stellte er viel mehr als eine Frage, und es war ihr egal.
»Ich war nun allein. Allein mit meinem Schwert.
Ich hatte genug Münzen, um unabhängig zu sein.
Ich konnte mich wenden, wohin auch immer ich wollte.
Aber ich hatte kein Ziel. Nicht einmal eine Ahnung, wie ein Ziel für mich überhaupt aussehen sollte. Ich vermisste die Schule und die geregelten Abläufe dort. Ich vermisste sogar, dass man bestraft wurde, wenn man zu spät zur Übung erschien. Hier bestrafte mich niemand. Es forderte mich niemand auf, niemand mich
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