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Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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dass alle meine Schwestern tot waren, zwölf an der Zahl, und dass ich das verschuldet hatte, nur weil ich meine Ehre zu verteidigen suchte. Ich sah keinen Sinn darin, dass meine Schwestern an meiner statt nicht nur hatten leiden, sondern sogar sterben müssen.
    Vielleicht versuchte ich ebenfalls zu sterben. Indem ich mich hinlegte, um gefressen zu werden. Ein paar seltsame Narben, die aussehen, als hätten mich Tiere angeknabbert, zeugen noch heute davon. Und Striemen, die lange blieben, als hätte ich mich gegeißelt oder jemand anders mich gepeitscht, aber nicht mit den Werkzeugen der Schule. Ich erinnere mich aber nicht an das, was mir in den Wäldern wiederfuhr. Alles war grün, und in mir tanzten rot nur Flammen.
    Eine Frau nahm mich schließlich bei sich auf. Eine ehemalige Schaustellerin, die früher mit Bällen und Fackeln hatte jonglieren können und nun alt und krumm und verwitwet in einer kleinen Hütte am Waldrand lebte. Sie erinnerte mich ein wenig an die Bediensteten der Schule, jene Frauen, für deren Tod ich ebenfalls verantwortlich zu machen war. Ihr Mann war ein Schwertschlucker gewesen, die Hütte voller Waffen, und sie bewunderte mein außergewöhnlich schönes Schwert. ›Mein Mann hätte das sicherlich sehr gerne verspeist‹, sagte sie immer, und ich wusste nie, ob sie das im Scherz meinte oder ernst.
    Mit der Zeit zeigte ich ihr alles, was ich wusste. Vielleicht, um sie zu entlohnen für das Essen, das sie für mich zubereitete, mit emsigen, runzligen Händen. Sie war sehr beeindruckt von meinen Fähigkeiten mit dem Schwert, und ihre Augen begannen zu funkeln, nachdem sie mich mit dem Schwert hatte tanzen sehen.
    Nach einem halben Jahr, nachdem all meine im Turnier und im Wald erhaltenen Verletzungen verheilt waren, führte sie mich auf einen Marktplatz und hieß mich dort vorzuführen, was ich in der Schule gelernt hatte. Ich zeigte Schwertfiguren, Schwertbewegungen. Schwertfolgen. Schwertbegegnungen. Die Menschen staunten, und es klimperten etliche Münzen in unseren Beutel. Die Frau, die mich bei sich aufgenommen hatte – ihr Name war Sesla – staunte nicht schlecht, wie viel sich mit mir verdienen ließ.
    Wir feilten an meinem Auftritt. Ich zog weniger Kleidung an, denn Sesla war der Meinung, dass ich einnehmend aussah und das auch ruhig vorzeigen sollte. Die Mädchen von Ugon Fahus’ Schule waren in der Umgegend schon lange als Klingentänzerinnen geläufig gewesen, aber Sesla gab dieser Bezeichnung eine neue Bedeutung. Unter ihrer Führung tanzte ich tatsächlich, um den Menschen zu gefallen, nicht, um einen Gegner zu bezwingen.
    Es fühlte sich eigenartig an für mich. Vielleicht sogar falsch. Aber ich tat es, weil Sesla mich bei sich aufgenommen hatte, ohne eine Gegenleistung auch nur erwarten zu können, und weil sie alt war und krumm und ihre Augen so schön funkelten, wenn wir Gewinn machten. Sie war ein bisschen verrückt, musst du wissen. Sie sprach nach all den Jahren immer noch mit ihrem Mann, als stünde er manchmal neben ihr. Einmal sah ich sogar, wie sie sich selbst mit den Armen umfing und sich wiegte, als würde ein Mann sie halten und sanft mit ihr tanzen. Aber immerhin gewann ich den Eindruck, dass ihr Mann ein guter Mensch gewesen war, den auch ich hätte mögen können.
    Wen ich hingegen zu hassen lernte, waren die Gaffer, die Pöbler, die Betrunkenen, die Angeber, Großmäuler, Halbwüchsigen, Krächzstimmigen, Unbeherrschten, Unverschämten. Die Störer. Es gab auch Frauen, die über meine Darbietung zeterten, aber die ärgerten mich nicht, die zeigten mir eher, dass ich alles richtig machte. Aber die Männer waren oft unerträglich. Sie johlten und machten ekelhafte Sprüche, sie fassten mich an oder fassten sich selbst an oder holten sich aus ihrer Hose und befriedigten sich ganz unverhohlen, während ich tanzte. Es waren Wesen ohne Würde. Auch Sesla verachtete sie und sprach ihnen sogar eine Daseinsberechtigung ab. ›Wenn es keine solche Kerle auf der Welt gäbe, könnte man sich als Frau viel wohler fühlen in seiner Haut‹, sagte sie immer. Als ich sie danach fragte, gab sie zu, dass sie in ihrer Zeit als Schaustellerin auch so manches Widerwärtige hatte ertragen müssen. Ihr Mann hatte das oftmals gar nicht mitbekommen. Oder einfach so getan, als würde er es nicht mitbekommen. Dabei besaß er so viele Schwerter. Aber was machte er mit ihnen? Er schluckte sie nur runter und würgte sie dann wieder hoch. Mit der Zeit lernte ich auch ihn zu verachten,

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