Klingenfieber: Roman (German Edition)
noch: »Mein Mädchen, armes Mädchen. Schau nach Schwestern. Alle so allein.«
Und Erenis, die verbissen aussah, als risse sie sich mühsam zusammen, nicht zu weinen, verließ ohne ein weiteres Wort die Hütte.
Stenrei gab der Alten noch artig die Hand und folgte dann der Klingentänzerin. Halb rechnete er damit, dass sie ohne ihn ging, bereits mehrere Schritte entfernt, doch sie hatte vor der Tür auf ihn gewartet.
»Das ist alles kein Zufall. Ladiglea, meine beste Freundin. Hektei, die kleine Schwester. Neeva, meine größte Konkurrentin. Ich habe dir von diesen dreien erzählt. Nur diese drei habe ich dir beim Namen genannt. Weil sie die wichtigsten für mich waren. Wir hatten ein gemeinsames Zimmer, aßen zusammen, durchliefen unsere Ausbildung zu viert. Und ausgerechnet diese drei hat Ugon Fahus gerettet. Um etwas gegen mich in der Hand zu haben. Er weiß, wie es zu dem Brand gekommen ist. Dass nur ich allein die Verursacherin gewesen sein kann. Und er weiß, dass ich noch lebe.«
»Aber wenn er Rachegedanken hegt – warum lässt er dich dann nicht jagen? Wie dieser Rittrichter!«
»Die Mühe kann er sich sparen. Er weiß, dass ich eines Tages zu ihm kommen werde. Um mit ihm abzurechnen.«
»Aber du wusstest doch bis eben noch gar nicht, dass er überhaupt noch am Leben ist. Wie kann er davon ausgehen, dass du ihn suchst, wenn er sich verbirgt?«
»Früher oder später hätte ich es erfahren. Auch, wenn ich weiterhin nur mit Sesla über die Märkte gezogen wäre. Früher oder später hatte ich gehört von meinen Schwestern, die für Ugon Fahus oder diesen Gerden kämpfen. Wahrscheinlich in den Städten. Dass ich zuerst Uleandra begegnet bin, der unauffälligsten von allen, ist wie ein Scherz des Schicksals.«
»Und jetzt? Gehen wir in die Hochstadt?«
»Ja. Das dürfte von hier aus noch eine hübsche kleine Reise sein. Viele Dörfer auf dem Weg dorthin.«
»In denen du weiterhin kämpfen wirst?«
»Ja. Ich will doch meine Zeit nicht vergeuden. Nichts hat sich geändert. Außer, dass wir jetzt nicht mehr kreuz und quer gehen, sondern ein Ziel haben.«
Sie verließen Koewes, in dem es nach dem Kampf und dem Tod eines Vaters noch immer unruhig war, um sich im nächsten Dorf nach dem schnellsten Weg zur Hochstadt zu erkundigen.
Unterwegs fragte Stenrei: »Weißt du, was mir durch den Kopf geht?«
»Nein. Was?«
»Uleandra hat gesagt, dass Ugon Fahus ganz ruhig war, als es brannte. Gar nicht traurig. Ist das nicht seltsam? Müsste einer, dessen Schule gerade abbrennt, dessen Schülerinnen in Gefahr sind, nicht irgendwie … außer sich sein? Verzweifelt? Oder zumindest überfordert?«
Erenis schwieg erst eine Weile, bevor sie fragte: »Was willst du damit sagen?«
»Dass es ihm vielleicht in den Kram passte. Oder er zumindest damit gerechnet hat. Vielleicht hat er ja sogar selbst dazu beigetragen, dass die Flammen sich so schnell ausbreiteten.«
»Glaub mir, das musste er gar nicht. Es gab so viel Alkohol in dem Raum, in dem ich zu mir kam oder zumindest die Augen aufschlug, dass ich das Geräusch der Flammen hinter mir hören konnte, die wie von Sinnen über alles und jeden herfielen. Es klang wie das Fauchen eines Raubtieres.«
»Wie dem auch sei. Jedenfalls ist es durchaus möglich, dass er gar nicht rachedurstig ist. Dass er ganz zufrieden ist, wie es gekommen ist. Vielleicht war die Schule überschuldet. Vielleicht mochte er nicht, was durch die tödlichen Turniere aus der Schule geworden war. Vielleicht wollte er ein Ende finden.«
Sie schwieg wieder, dann schlug sie sich plötzlich mit der Faust gegen die Brust. »Aber ich bin rachedurstig, ich , verstehst du? Was kümmert es mich, ob er mich erwartet oder nicht? Ich will ihn bezahlen lassen für alle meine Schwestern!«
Ihr Ausbruch war einschüchternd. Stenrei hielt lieber den Mund.
Im nächsten Dorf, Polkeff, beschloss Erenis, nicht zu kämpfen, denn sie wollte sich dem guten Willen, den man ihr dort entgegenbrachte, nicht undankbar zeigen. Nach zwei Stunden Erkundigungen waren Stenrei und sie im Besitz einer Karte, die den einfachsten Fußweg zur Hochstadt zeigte. Dieser Weg führte durch vierzehn Dörfer. Erenis grinste wie eine Wölfin, als sie das sah. Stenrei sah eine Reihe von vierzehn Gräbern vor sich. Weinende Kinder. Frauen mit Haarbüscheln in den Händen. Köpfe, die ins Rutschen gerieten, bis der Hals sie nicht mehr halten konnte.
Da es ihm unmöglich war, Schlaf zu finden, ging er durch die Küchentür des Gasthauses
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