Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Klingenfieber: Roman (German Edition)

Klingenfieber: Roman (German Edition)

Titel: Klingenfieber: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
Vom Netzwerk:
Begleiter einzutreten.
    »Uleandra war eine der Bediensteten in der Schule. Ich habe dir von ihnen erzählt«, raunte Erenis dem Jungen zu.
    »In der Schule? Aber du sagtest doch … der Brand … hat alle …«
    »Ich bin genauso überrascht wie du.«
    Erenis’ Stimme klang seltsam. Wie ein Echo aus einem Gewölbe. Stenrei, der zuerst befürchtet hatte, das Wichtigste zwischen diesen beiden Frauen bereits verpasst zu haben, begriff, dass Erenis noch gar nicht ausführlich mit Uleandra hatte sprechen können. Sie hatte wohl nur mit ihr verabredet, erst noch ihre Sachen vom Platz zu holen und anschließend mit ihr zu reden. Stenrei hatte also nichts versäumt.
    Er nahm auf einem Schemel Platz, den die Alte ihm wies. Erenis, steifbeinig wirkend, auf einem Schemel daneben. Nun saßen sie beide vor der Alten, die ein bröckeliges Gemisch aus Teig und Apfelstückchen in zwei Holzschalen füllte. In die Hütte fand der Tag kaum Einlass, die beiden Fenster waberten hinter durchbrochenen Vorhängen. Es roch stickig, nach vom Schlafen verbrauchter Luft, kalter Lauchsuppe und ganz entfernt auch nach getrockneten Blumen.
    »Dich am Leben zu sehen, mein Kind, nimmt mir mein Herz.« Die Alte sprach eigentümlich, mit einem schweren, rollenden Akzent. Vor – wie es Stenrei schien – über hundert Jahren musste sie in einem fernen Land geboren worden sein.
    »Ich kann auch nicht glauben, dich zu sehen.« Noch immer klang Erenis’ Stimme ganz anders, als Stenrei sie kannte. »Ich dachte, ihr seid alle umgekommen. Warst du denn nicht in der Schule, als es brannte?«
    »Doch, doch! Großes Feuer kam im Schlaf zu mir. Turnier war zu Ende gegangen, nur wenige wurden noch gebraucht. Ich durfte legen mich hin. Vielleicht das mein Glück. Nur wenige sind entkommen.« Sie reichte Erenis eine Schale voller Apfelteigstückchen, die diese annahm. Stenrei bekam ebenfalls eine. Es roch nicht schlecht, wirkte aber so trocken, als müsste man eigentlich noch Milch darüber gießen, damit es genießbar wurde.
    Erenis kaute nur aus Höflichkeit. Sie musste dazu erzogen worden sein, diese alte Frau sehr zu respektieren, andernfalls hätte ihre Neugier mit Leichtigkeit über jeglichen Wunsch nach Nahrungsaufnahme die Oberhand behalten. »Aber wie? Ich habe draußen gewartet. Keiner kam aus dem Gebäude!«
    »Herr Fahus mich geweckt. Er ganz ruhig. Alles in Feuer. Rauch in Augen. Er sagt, keine Angst, gute Uleandra. Es gibt Ausweg für alle, die nicht Flammen machen.«
    »Die nicht Flammen machen?«, fragte Stenrei, nun ebenfalls kauend, doch ein Seitenblick von Erenis hieß ihn, besser nicht dazwischenzureden.
    »Was für einen Ausweg?«
    Die Alte füllte nun noch kalten Tee in zwei tönerne Becher und reichte auch diese weiter. Erenis und Stenrei wussten kaum, was sie tun sollten. Sie brauchten eine Hand zum Greifen des Apfelteigschälchens, eine zum Halten des Teebechers – und mit welcher Hand sollten sie essen? »Es gab Gang. Durch Keller und weiter. Niemand davon wusste. Auch nicht ich. Herr Fahus uns führte.«
    »Wen? Wer war alles dabei?«
    »Nicht viele. Von den Dienerinnen nur ich. Die anderen in der Küche, von Feuer umschlossen. Nur die schon geschlafen, er konnte holen. Von den Gästen, den Männern, nur einer.«
    »Aber wer? Wer?«
    »Sein Name Gerden. Danroth Gerden.«
    »Nein, von den Mädchen! Wer von den Mädchen?«
    »Nur drei.«
    »Wer?«
    »Neeva. Und Ladiglea. Und Hektei.«
    »Was? Diese drei? Ausgerechnet diese drei? Und was geschah? Kamt ihr alle raus?«
    »Wir sechs. Dank Herr Fahus.«
    »Wo? Wo kamt ihr raus?«
    »Weit, weit. Der Gang war lang und Qualm. Finster wie in Teufelbauch. Tief in den Bergen wir wieder zur Luft. Ich war fast tot. Ich immer sagte: Lasst mich, ich bin alt. Wozu die Mühe? Aber Ladiglea mich nicht hat stehen bleiben. Sie mich getragen.«
    »Und dann? Und dann?« So aufgewühlt wie jetzt hatte Stenrei Erenis wirklich noch nie gesehen. Beim Ausfall aus der belagerten Hütte hatte sie ruhig gewirkt im Vergleich zu jetzt. Während er weiterhin versuchte, das Schälchen zwischen seinen Knien festzuklemmen und daraus zu essen, hatte Erenis Essen und Getränk längst beiseitegestellt.
    »Wir in Luft. Und traurig. So viele tot. Ich auch gedacht, du tot. Alle, alle außer uns sechs.«
    »Und was dann? Es kamen Leute, um nach dem Brand zu sehen. Seid ihr zu diesen gegangen?«
    »Nein. Herr Fahus sagte, wer immer Brand gemacht, besser denkt, wir alle sind tot. Er hat gelächelt, als er das sagte.

Weitere Kostenlose Bücher