Klingenfieber: Roman (German Edition)
hinaus unter den kaum sichtbaren Mond und schwang sein Schwert in Bewegungsmustern, die er bei Ilehu Wiftin und seiner Eisenstange gesehen hatte. Muster des Parierens. Des Ausweichens. Der Behändigkeit.
Erenis’ neues Ziel, mit ihrem Ausbilder abzurechnen, gefiel ihm nach anfänglicher Mulmigkeit besser und besser, je mehr er darüber nachgrübelte. Es erschien ihm sinnvoller, dass Ugon Fahus und die von ihm erschaffenen Tänzerinnen übereinander herfielen als über unbescholtene Dörfer.
Aber was kam danach?
Was würde geschehen, wenn Erenis sich all des Dunklen, das unablässig an ihr fraß, entledigt hatte?
Auch Erenis fand keinen Schlaf in dieser für sie so neuen Nacht.
Sie starrte an die Kammerdecke und dachte darüber nach, dass er noch immer am Leben war.
Ugon Fahus.
Der Kriegslehrer.
Ihr Kriegslehrer.
Der ihr alles beigebracht hatte, was sie nun tagtäglich anwandte.
Sie war wirklich sein Geschöpf. Seine Tochter. Nicht von Blutes wegen. Der Gesinnung nach.
Sie sah ihn, ruhig im Brand, während seine Töchter verschmorten, ruhig die anderen durch den Gang führen, ruhig alles sich auflösen lassen, ruhig zwei weitere verkaufen, ruhig mit seiner letzten, seiner Lieblingstochter, seiner allerbesten Schülerin durchs Land ziehen und – was tun? Den Krieg lehren, predigen, praktizieren? War er nun bei der Armee, als Ausbilder? Hatte er vielleicht sogar etwas mit dem Auflodern des Konfliktes mit den Waldmenschen zu tun? Ruhig sein Handwerk ausübend, ruhig seine Netze spinnend. Krieg schürend. Männer. In der Gewalt eines Mannes, der Frauen benutzte, um Männer zu reizen.
Oder hatte er sich zurückgezogen? Sich zur Ruhe gesetzt. Aber war es ihm denn gelungen, genügend Münzen aus dem Feuer zu retten? Für eine Kutschfahrt in die Hochstadt hatte es gereicht, aber Uleandra hatte nicht erwähnt, dass er schwer beladen gewesen war. Sie hatte von Ladiglea getragen werden müssen. Ugon Fahus hätte es für unter seiner Würde befunden, ein weibliches Wesen zu tragen, das kein kleines Mädchen mehr war.
Erenis starrte an die Decke, bis ihre Augen brannten.
Sie verdankte diesem Mann so vieles.
Er hatte ihr nicht nur ein Zuhause gegeben, sondern auch ein Ziel, eine Form, eine Disziplin, eine Methode, ein Mittel zur Verständigung. Ein Schwert. Sie führte es noch immer. Seine schwieligen Hände hatten es in ihre schlanken Finger gelegt. Sie umfasste es, wann immer sie sich einsam fühlte.
Und dennoch hasste sie ihn. Hatte ihn immer gehasst. Seitdem er sie geprügelt hatte während der Ausbildung und sie gezwungen, sich vor den anderen nackt und nass zu machen, nur weil sie eine seiner Lektionen nicht begriffen hatte.
Ihr Hass auf ihn hatte sie besser werden lassen, hatte ihr den Ehrgeiz verliehen, alle anderen schlagen zu wollen. Und dadurch letzten Endes auch ihn. Ihn hatte sie besiegen wollen, all die Jahre lang. Ihn, den Mann. Den Vater. Den Schwert- und Zuchtmeister. Und sie hatte immer geglaubt, dass ihre Zeit kommen würde. Denn die Zeit arbeitete gegen ihn und für sie. Während er alterte, wurde sie immer stärker und gewandter.
Doch dann war es dazu nicht mehr gekommen. Er hatte sie anderen Männern als Spielzeug übereignet, wie auch Neeva schon vor ihr.
Neeva.
Dieser Gedanke kam Erenis jetzt zum ersten Mal.
Wie oft Neeva das Turnier gewonnen hatte. Um jedes Mal hinterher von den zahlenden Gästen missbraucht zu werden? War so etwas möglich? Warum hatte sie dann immer wieder gewonnen, anstatt einfach absichtlich zu verlieren?
Weil sie die anderen hatte schützen wollen .
Und die anderen, das bedeutete vor allem die Zweitbeste: Sie, Erenis.
Aber wie war es dann möglich, dass Neeva noch immer bei Ugon Fahus blieb? Ihm die Treue hielt, anstatt ihn umzubringen.
Vielleicht hatte sie es versucht. Und er hatte sie bezwungen, immer und immer wieder. Und dadurch ihren Geist gebrochen.
Neeva.
Erenis hatte sie immer bewundert, aber nie echte Zuneigung für sie gehegt, so wie für Ladiglea und besonders für Hektei. Neeva war einfach zu gut gewesen, um sie wirklich ins Herz schließen zu können. Zu sehr ein Hindernis auf dem Weg, selbst die Beste zu werden.
Sie lebten.
Noch.
Noch lebten sie alle fünf.
Vier Schwestern und ihr Feind.
Man hatte dem Rittrichter Wenzent Vardrenken ein außerordentlich nervöses Pferd zugeteilt. Ihm war nicht entgangen, dass das Absicht gewesen war, ein diskreter Scherz des Hochadels, um ihm klarzumachen, dass er sich auf seiner Mission zur Ergreifung
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