Klonk!
ein wenig abzuwarten. Du kommst eines Tages als Besucher, versteckst dich unter einer Staubdecke, schneidest das Bild nachts aus dem Rahmen, lässt es irgendwo verschwinden und gehst am nächsten Tag zusammen mit den anderen Besuchern wieder nach draußen. Es ist ganz einfach.« Er sah Nobby an und strahlte. »Man muss wie ein Verbrecher denken und ihn überlisten, verstehst du?«
»Die Diebe hätten auch einfach eine Tür aufbrechen und mitten in der Nacht mit dem Gemälde verschwinden können«, sagte Nobby. »Warum einen listigen Plan entwickeln, wenn ein einfacher genügt?«
Fred seufzte. »Mir scheint, uns steht ein schwieriger Fall bevor, Nobby.«
»Du solltest Mummi fragen, ob wir ihn übernehmen können«, sagte Nobby. »Schließlich kennen wir bereits die Fakten.«
In der Luft hingen die unausgesprochenen Worte:
Wo möchtest du wä
h
rend der nächsten Tage sein? Dort draußen, wo vermutlich Äxte und Keulen fliegen werden, oder hier drin, damit beschäftigt, all die Mansarden und Keller sehr gründlich zu durchsuchen? Denk darüber nach. Das wäre sicher nicht feige. Denn ein
so b
e
rühmtes Gemälde gehört bestimmt zum nationalen Erbe. Selbst wenn es nur einen Haufen Zwerge und Trolle abbildet, die aufeinander eindreschen.
»Ich glaube, ich
werde
auf angemessene Weise Bericht erstatten und Herrn Mumm vorschlagen, dass er uns mit diesem Fall betraut«, sagte Fred Colon langsam. »Er erfordert die Aufmerksamkeit erfahrener Polizisten. Verstehst du viel von Kunst, Nobby?«
»Wenn es sein muss, Feldwebel.«
»Oh, ich bitte dich, Nobby!«
»Was? Bronzaleh meint, was sie macht, ist Kunst, Feldwebel. Und sie trägt mehr Kleidung als viele der Frauen an den Wänden hier. Warum also darüber die Nase rümpfen?«
»Ja, aber…« Fred Colon zögerte. Tief in seinem Innern wusste er, dass der Tanz an einer Stange in Kleidung, die man als Zahnseide verwenden konnte, keine Kunst war, wohingegen gemalte Frauen, die mit nicht mehr als einem Lächeln und einem Bündel Weintrauben bekleidet auf einem Bett lagen, gute solide Kunst darstellten. Aber es fiel ihm schwer, zu benennen, warum das so war.
»Keine Urnen«, sagte er schließlich.
»Welche Urnen?«, fragte Nobby.
»Nackte Frauen sind nur dann Kunst, wenn auf dem Bild auch eine Urne zu sehen ist«, sagte Fred Colon. Das klang ein wenig schwach, selbst für ihn, deshalb fügte er hinzu: »Oder eine Plinthe. Beides zusammen ist natürlich am besten. Dieses geheime Zeichen weist den Betrachter darauf hin, dass es sich um Kunst handelt und man ruhig hinsehen darf.«
»Was ist mit einer Topfpflanze?«
»Nichts daran auszusetzen, wenn sie in einer Urne steckt.«
»Was ist, wenn das Bild
weder
eine Urne
noch
eine Plinthe
oder
eine Topfpflanze zeigt?«, fragte Nobby.
»Hast du ein bestimmtes im Sinn?«, erwiderte Colon argwöhnisch.
»Ja,
Die Göttin Anoia
3
erhebt sich vom Essbesteck
«, sagte Nobby. »Das Bild hängt hier irgendwo. Gemalt wurde es von einem Burschen mit drei Is in seinem Namen, was für mich sehr künstlerisch klingt.«
»Die Anzahl der Is im Namen ist wichtig, Nobby«, sagte Feldwebel Colon ernst, »aber in solchen Situationen muss man sich fragen: Wo ist der Engel? Wenn es ein dickes, rosarotes Kindlein gibt, das einen Spiegel oder einen Fächer hält, hat alles seine Ordnung. Selbst wenn der kleine Racker grinst. Man kann ja nicht
überall
Urnen haben.«
»Na schön, aber angenommen…«, begann Nobby.
Die ferne Tür öffnete sich, und Sir Reynold eilte mit einem Buch unter dem Arm über den Marmorboden.
»Ah, ich fürchte, es gibt keine Kopie des Gemäldes«, sagte er. »Es wäre ziemlich schwer, eine Kopie zu erstellen, die dem Original gerecht wird. Doch diese, äh, recht sensationalistische Abhandlung enthält viele detaillierte Skizzen. Heutzutage scheint jeder Besucher ein solches Buch zu haben. Wusstet ihr, dass im Originalbild mehr als zweitausendvierhundertneunzig verschiedene Zwerge und Trolle anhand der Rüstung und von Körpermarkierungen identifiziert werden können? Es trieb Schlingel in den Wahnsinn, der arme Kerl. Er brauchte sechzehn Jahre, um das Bild fertig zu stellen!«
»Das ist gar nichts«, sagte Nobby fröhlich. »Fred hier ist noch nicht damit fertig, seine Küche zu streichen, obwohl er vor zwanzig Jahren begonnen hat!«
»Herzlichen Dank, Nobby«, sagte Colon kühl. Er nahm das Buch vom Konservator entgegen. Der Titel lautete:
Der Koomtalkodex.
»Was meinst du mit Wahnsinn?«
»Er vernachlässigte seine
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