Kloster Northanger
Fremde ersetzt zu sehen, trifft mich im Innersten. Diese Tinleys reißen offenbar alles an sich.«
Catherine erschien dieser Vorwurf ebenso unverständlich wie herzlos. War es echte Freundschaft, wenn man sich anderen gegenüber so mit seinen Gefühlen brüstete? Isabella kam ihr kleinlich und selbstsüchtig vor, sie dachte an nichts als an ihr eigenes Vergnügen. Diese schmerzlichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf, obwohl sie schwieg. Währenddessen wischte sich Isabella mit dem Taschentuch die Augen, und da dieser Anblick Morland ans Herz ging, konnte er nicht umhin zu sagen: »Nein, wirklich, Catherine, du darfst nicht länger eigensinnig sein. Das Opfer ist nicht groß, und um einer solchen Freundin einen Gefallen zu tun … Ich finde es wirklich nicht nett, wenn du immer noch ablehnst.«
Zum ersten Mal nahm damit ihr Bruder offen gegen sie Partei, und in dem Bemühen, nicht sein Missfallen zu erregen, schlug sie einen Kompromiss vor. Wenn sie ihren Ausflug nur auf Dienstag verschöben, was gar kein Problem sei, da er nur von ihnen selbst abhänge, dann würde sie mitkommen, und alle könnten zufrieden sein. »Nein, nein, nein!« hieß es aber sofort. Das könne nicht sein, denn Thorpe wisse noch gar nicht, ob er nicht am Dienstag nach London fahre. Es tat Catherine leid, aber mehr konnte sie nicht tun, und es folgte ein kurzes Schweigen, das von Isabella gebrochen wurde, die kühl und abweisend sagte: »Also schön, dann findet der Ausflug eben nicht statt. Wenn Catherine nicht mitkommt, fahre ich auch nicht. Ich kann nicht als einzige Frau mitfahren. Etwas so Ungehöriges würde ich um nichts in der Welt tun.«
»Catherine, du musst mitkommen«, sagte James.
»Aber warum kann Mr. Thorpe nicht mit einer seiner Schwestern fahren? Ich bin sicher, sie würden beide gern mitkommen.«
»Besten Dank«, rief Thorpe, »aber ich bin nicht nach Bath gekommen, um meine Schwestern herumzukutschieren und mich lächerlich zu machen. Nein, wenn Sie nicht mitkommen, dann tue ich es auch nicht, verdammt noch mal. Ich fahre überhaupt nur um Ihretwillen.«
»An diesem Kompliment liegt mir gar nichts.« Aber ihre Worte waren an Thorpe verschwendet, der sich brüsk abgewandt hatte.
Die anderen drei setzten ihren Spaziergang fort, was für die arme Catherine immer unangenehmer wurde. Mal wurde kein Wort gesagt, mal wurde sie mit Bitten oder Vorwürfen überfallen, und wenn sie auch immer noch Arm in Arm mit Isabella ging, befanden sich ihre Herzen doch im Krieg miteinander. Jetzt war sie halb versöhnt, jetzt gereizt, immer betrübt, aber immer unnachgiebig.
»Ich fand dich früher nicht so eigensinnig, Catherine«, sagte James, »so schwer warst du nie zu überreden. Du warst von allen meinen Schwestern immer die freundlichste und ausgeglichenste.«
»Das bin ich hoffentlich immer noch«, antwortete sie liebevoll, »aber ich kann wirklich nicht mitkommen. Wenn ich unrecht habe, so tue ich wenigstens, was ich für recht halte.«
»Ich habe den Eindruck«, sagte Isabella mit gesenkter Stimme, »große Überwindung hat es nicht gekostet.«
Catherine war empört; sie zog ihren Arm weg, und Isabella ließ es gewähren. So vergingen zehn lange Minuten, bis sich Thorpe wieder zu ihnen gesellte, der mit fröhlicher Miene zurückkam und sagte: »Also, ich habe die Sache geklärt, und jetzt können wir morgen alle mit ruhigem Gewissen fahren. Ich bin bei Miss Tilney gewesen und habe Sie entschuldigt.«
»Das haben Sie nicht!«, rief Catherine.
»Doch, Ehrenwort. War diesen Augenblick bei ihr, hab ihr erzählt, Sie hätten mich geschickt, um zu sagen, dass Sie sich gerade an eine frühere Verabredung, mit uns nach Clifton zu fahren, erinnert hätten und deshalb nicht vor Dienstag das Vergnügen haben könnten, mit ihr spazieren zu gehen. Sie sagte, na schön, Dienstag passt uns ebenso gut. Damit sind alle unsere Probleme beseitigt. Ein blendender Einfall, den ich da hatte, he?«
Isabellas Gesicht war nun wieder ganz Lächeln und gute Laune, und auch James sah wieder glücklich aus.
»Ein himmlischer Einfall, wirklich! Also, meine liebe Catherine, nun sind wir alle Sorgen los; du bist in allen Ehren freigesprochen, und der Ausflug wird zauberhaft werden.«
»Das geht nicht«, sagte Catherine, »ich bin damit nicht einverstanden. Ich muss sofort hinter Miss Tilney herlaufen und die Sache richtigstellen.«
Isabella allerdings ergriff ihre eine Hand, Thorpe die andere, und alle drei überhäuften sie mit Vorwürfen. Sogar
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