Kloster Northanger
Hauptmann Tilney am oberen Ende der Reihe.
Isabella zuckte die Schultern und lächelte, die einzige Erklärung dieses außerordentlichen Sinneswandels, den sie vorläufig geben konnte, aber es überstieg trotzdem Catherines Verständnis, und sie drückte ihr Erstaunen unverhohlen gegenüber ihrem Partner aus.
»Ich kann einfach nicht verstehen, wie es möglich ist. Isabella war so fest entschlossen, nicht zu tanzen.«
»Und hat Isabella nie ihre Meinung geändert?«
»Ach so! Aber weil … und Ihr Bruder! Nachdem, was ich ihm durch Sie habe sagen lassen, wie konnte er es nur wagen, sie aufzufordern.«
»
Mich
überrascht das keineswegs. Sie haben mich gebeten, über Ihre Freundin überrascht zu sein, und deshalb bin ich es, aber was meinen Bruder betrifft, so muss ich zugeben, dass ich ihm sein Verhalten bei dieser Angelegenheit ohne weiteres zugetraut habe. Die Schönheit Ihrer Freundin war eine offene Herausforderung, und ihre Standhaftigkeit können nur Sie beurteilen.«
»Sie lachen, aber ich versichere Ihnen, Isabella ist im Allgemeinen sehr standhaft.«
»Das will nicht viel heißen. Wer immer standhaft ist, ist oft unnachgiebig. Zu wissen, wann man nachgeben muss, darin verrät sich Urteilskraft, und ohne damit meinen Bruder zu loben – ich finde, dies war nicht die schlechteste Gelegenheit nachzugeben.«
Die Freundinnen konnten sich erst zu einem vertraulichen Gespräch treffen, als der Tanz vorüber war, aber als sie dann Arm in Arm im Saal umherwanderten, gab Isabella folgende Erklärung: »Deine Überraschung wundert mich gar nicht, und ich bin wirklich zu Tode erschöpft. Er ist ein furchtbarer Schwätzer. Ganz amüsant, wenn ich nicht in Gedanken anderweitig beschäftigt gewesen wäre, aber was hätte ich nicht gegeben, sitzenbleiben zu dürfen.«
»Warum hast du es dann nicht getan?«
»Aber, liebes Kind, es hätte ein solches Aufsehen erregt, und du weißt, wie ich das verabscheue. Ich habe abgelehnt, solange ich konnte, aber er gab nicht nach. Du hast ja keine Ahnung, wie er mir zugesetzt hat. Ich habe ihn angefleht, mich zu entschuldigen und jemand anderen aufzufordern, aber nein, nicht er! Nachdem er nun einmal ein Auge auf mich geworfen hatte, konnte er den Gedanken nicht ertragen, jemand anderen nehmen zu müssen, und er wollte nicht nur mit mir tanzen, er wollte einfach bei
mir
sein. Oh, was für ein Unsinn! Ich habe ihm gesagt, er muss sich schon etwas anderes ausdenken, um mich herumzubekommen, denn wenn ich etwas hasse, dann sind es schöne Sprüche und Komplimente, und dann … und dann merkte ich, dass ich sowieso keine Ruhe hätte, wenn ich nicht mit ihm tanzen würde. Außerdem – ich dachte, Mrs. Hughes, die ihn mir vorgestellt hat, wäre vielleicht beleidigt, wenn ich es nicht täte, und auch deinem lieben Bruder wäre sicher ganz schrecklich zumute gewesen, wenn ich den ganzen Abend nur herumgesessen hätte. Ich bin so froh, dass es vorüber ist! Ich bin völlig erschlagen nach dem Unsinn, den er geredet hat, und dann – da er so ein attraktiver junger Mann ist, sah ich, dass alle Augen auf uns gerichtet waren.«
»Er sieht wirklich blendend aus.«
»Blendend! Ja, es scheint fast so. Wahrscheinlich finden die meisten Leute, dass er blendend aussieht, aber mein Typ ist er nicht. Ich hasse kräftigen Teint und dunkle Augen bei einem Mann. Er ist trotzdem ganz passabel, allerdings ungeheuer eingebildet. Aber ich habe ihn ein paarmal abblitzen lassen – auf meine Art, weißt du.«
Als die Damen sich nach diesem Abend wiedersahen, gab es etwas viel Aufregenderes zu diskutieren. James Morlands zweiter Brief war angekommen, und darin wurden die freundlichen Absichten seines Vaters ausführlicher erklärt. Eine Pfarrstelle, über die Mr. Morland verfügen konnte und die er selbst innehatte, mit jährlichen Einnahmen von etwa vierhundert Pfund sollte seinem Sohn überlassen werden, sobald er alt genug war, sie zu übernehmen – keine geringe Verminderung des Familieneinkommens, keine knauserige Zuwendung für eins von zehn Kindern. Grund und Boden von mindestens gleich großem Wert wurde darüber hinaus als sein Erbteil festgelegt.
James gab in dem Brief seiner Dankbarkeit mit sympathischen Worten Ausdruck, und da er die nicht angenehme Aussicht, mit der Heirat zwei bis drei Jahre warten zu müssen, nur für recht und billig hielt, nahm er sie ohne Widerstand hin. Catherine, deren Erwartungen ebenso vage gewesen waren wie ihre Vorstellungen von dem väterlichen Einkommen und
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