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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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offensichtlich zu ihrer Gesellschaft gehörte. Sie sah ihn mit großer Bewunderung an und hielt es sogar für möglich, dass manche Leute ihn für hübscher hielten als seinen Bruder, obwohl in ihren Augen sein Auftreten anmaßender und seine Züge weniger gewinnend waren. Sein Geschmack und sein Benehmen waren Henrys zweifellos ganz entschieden unterlegen, denn er protestierte in ihrer Nähe nicht nur dagegen, selbst zu tanzen, sondern lachte auch ganz unverblümt darüber, dass Henry es ernsthaft erwog. Aus diesem Umstand darf geschlossen werden, dass, was immer unsere Heldin von ihm halten mochte, seine Bewunderung für sie ihr wohl nicht sehr gefährlich werden konnte und kaum dazu angetan war, Unstimmigkeiten zwischen den Brüdern oder gar Nachstellungen der Dame hervorzurufen. Er kann nicht der Anstifter von drei Bösewichtern in grauen Reitermänteln sein, von denen sie bald darauf in eine vierspännige Reisekutsche gezerrt wird, die mit unglaublicher Geschwindigkeit davonjagt. Unterdessen genoss Catherine ohne irgendwelche Ahnungen von solchem Unheil, ja, überhaupt von Unheil, außer, dass sie nur eine kurze Reihe von Paaren zum Durchtanzen hatte, in Henrys Gesellschaft das übliche Glücksgefühl, hörte mit leuchtenden Augen allem zu, was er sagte, und wurde, weil sie ihn unwiderstehlich fand, selbst unwiderstehlich.
    Nach Beendigung des ersten Tanzes kam Hauptmann Tilney wieder zu ihnen zurück und zog sehr zu Catherines Ärger seinen Bruder beiseite. Sie entfernten sich, wobei sie miteinander flüsterten, und obwohl sie nicht etwa in ihrer unerhörten Feinfühligkeit gleich Unruhe verspürte und es als Tatsache ansah, dass Hauptmann Tilney irgendeine bösartige Verleumdung über sie gehört hatte, die er in der Hoffnung, sie auf immer zu trennen, seinem Bruder auf der Stelle mitteilen musste, konnte sie doch nicht umhin, während der Abwesenheit ihres Partners ein starkes Unbehagen zu empfinden. Sie wurde volle fünf Minuten auf die Folter gespannt, und es kam ihr schon wie eine sehr lange Viertelstunde vor, als beide zurückkamen und sie eine Erklärung durch Henrys Frage erhielt, ob sie glaube, dass ihre Freundin Miss Thorpe wohl abgeneigt sei zu tanzen, da sein Bruder ihr mit dem größten Vergnügen vorgestellt werden würde. Ohne zu zögern, antwortete Catherine, sie sei ganz sicher, dass Miss Thorpe auf keinen Fall tanzen wolle. Die grausame Antwort wurde an den jungen Mann weitergegeben, und er entfernte sich unverzüglich.
    »Es wird Ihrem Bruder sicher nichts ausmachen«, sagte sie, »denn ich habe ihn vorhin sagen hören, dass er es verabscheut zu tanzen, aber es ist nett von ihm, dass er es vorhatte. Ich nehme an, er sah, dass Isabella sitzengeblieben war und vielleicht einen Partner brauchte, aber er irrt sich sehr, denn sie würde um nichts in der Welt tanzen.«
    Henry lächelte und sagte: »Wie wenig Mühe es Sie kostet, die Motive zu den Handlungen anderer zu durchschauen.«
    »Warum? Was meinen Sie?«
    »Sie fragen nicht: Wodurch wird jemand vermutlich beeinflusst? Welche Rolle spielen Alter, Lebensumstände und seine mutmaßlichen Gewohnheiten bei den Empfindungen eines Menschen, sondern: Wie werde ich beeinflusst, was würde bei mir eine Rolle spielen, wenn ich soundso handelte.«
    »Ich verstehe Sie nicht.«
    »Dann bin ich entschieden im Vorteil, denn ich verstehe Sie vollkommen.«
    »Mich? Ja, ich kann mich nicht gut genug ausdrücken, um unverständlich zu sein.«
    »Bravo, eine ausgezeichnete Satire auf die moderne Sprache.«
    »Aber sagen Sie mir bitte, was Sie meinen.«
    »Soll ich wirklich? Wollen Sie das tatsächlich? Aber Sie sind sich wohl über die Konsequenzen nicht im Klaren. Es wird Sie in schwere Verlegenheit bringen und auf jeden Fall zu einer Meinungsverschiedenheit zwischen uns führen.«
    »Nein, nein, keins von beidem, ich habe keine Angst.«
    »Also gut, ich wollte nur sagen, dass Sie den Wunsch meines Bruders, mit Miss Thorpe zu tanzen, nur auf Nettigkeit zurückführen, hat mich davon überzeugt, dass Sie die ganze Welt an Nettigkeit übertreffen.«
    Catherine errötete und protestierte und bestätigte damit die Überzeugungen ihres Partners.
    Allerdings gab es in seinen Worten etwas, was sie für ihre Verlegenheit entschädigte, und dieses Etwas beschäftigte sie in Gedanken so sehr, dass sie eine Zeitlang in sich versank und das Reden und Zuhören und fast auch ihre Umgebung vergaß, bis Isabellas Stimme sie aufschreckte. Sie sah auf und erblickte sie mit

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