Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
Vom Netzwerk:
Aufmerksamkeit vorher entgangen war, obwohl Sie das Mobiliar genau untersucht haben. Von einer unwiderstehlichen Ahnung getrieben, eilen Sie darauf zu, öffnen seine Falttüren und durchsuchen jede Schublade, aber eine ganze Weile ohne irgendetwas Wichtiges zu entdecken – höchstens einen nicht unerheblichen Schatz von Diamanten. Schließlich allerdings öffnet sich durch die Berührung einer geheimen Feder ein verborgenes Fach – eine Papierrolle kommt zum Vorschein – Sie ergreifen sie – sie enthält viele Manuskriptseiten – Sie eilen mit dem kostbaren Schatz in Ihr eigenes Zimmer zurück, aber kaum haben Sie ›Oh, wer du auch sein mögest, in dessen Hände diese Aufzeichnungen der unglückseligen Mathilda fallen mögen …‹ entziffern können, da verlöscht plötzlich Ihre Lampe, und Sie bleiben in völliger Finsternis zurück.«
    »Oh! Nein, nein, nur das nicht! – Aber weiter!«
    Henry war jedoch durch das Interesse, das er hervorgerufen hatte, zu belustigt, als dass er das Spiel fortsetzen konnte; es gelang ihm nicht, in ernsthaftem Ton die Geschichte weiterzuerzählen, und er musste sie bitten, beim Durchlesen von Mathildas Leiden ihre eigene Phantasie anzustrengen. Catherine nahm sich zusammen und fing an, sich wegen ihres Eifers zu schämen und ihm ernstlich zu versichern, dass sie so gefesselt gewesen sei, ohne im Geringsten zu befürchten, das Erzählte in Wirklichkeit zu erleben. Sie sei ganz sicher, Miss Tilney würde sie nie in einem Zimmer einquartieren, wie er es beschrieben habe. Sie habe keine Angst.
    Als sich ihre Reise dem Ende näherte, kehrte ihre Ungeduld auf den Anblick des Klosters, die sie eine Zeitlang durch Henrys Unterhaltung über andere Themen ganz vergessen hatte, unvermindert wieder, und an jeder Straßenbiegung erwartete sie mit angehaltenem Atem den Anblick seiner massiven Mauern aus grauem Stein, die sich in einem Hain uralter Eichen erhoben, wobei die letzten Sonnenstrahlen in majestätischem Glanz auf ihren hohen gotischen Fenstern spielten. Aber das Gebäude lag so tief, dass sie durch die großen Tore beim Pförtnerhaus in den Hof einfuhren, ohne auch nur einen einzigen alten Schornstein ausgemacht zu haben.
    Sie wusste nicht, ob es ihr zustand, Überraschung zu zeigen, aber irgendetwas an einer solchen Ankunft kam für sie völlig unerwartet. Zwischen modernen Pförtnerhäusern hindurchzufahren und sich so ohne Umstände nach einer schnellen Anfahrt auf glattem, ebenem Kiesweg ohne jedes Hindernis, jede Beunruhigung oder jede Ehrfurcht innerhalb der Klostermauern wiederzufinden, erschien ihr merkwürdig und unpassend. Sie hatte allerdings nicht viel Zeit zu solchen Überlegungen. Ein Regenschauer, der ihr direkt ins Gesicht trieb, machte es ihr unmöglich, irgendetwas genauer zu betrachten, und lenkte ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Wohlergehen ihres neuen Strohhuts, und sie befand sich schon unter dem Dach des Klosters, sprang mit Henrys Hilfe aus der Kutsche, war in der alten Eingangshalle ins Trockene und durch sie hindurch in den Saal gelangt, wo ihre Freundin und der General warteten, um sie zu begrüßen, ohne dass sie innerhalb des ehrfurchtgebietenden Gebäudes irgendwelche grauenerregenden Ahnungen zukünftigen Unheils oder den geringsten Verdacht wegen vergangener Schreckensszenen empfunden hätte. Der Wind hatte ihr offenbar nicht die Seufzer der Ermordeten zugetragen; zugetragen hatte er ihr nichts Schlimmeres als dichten Nieselregen, und als sie ihr Kleid einmal ordentlich ausgeschüttelt hatte, war sie bereit, ins Wohnzimmer geleitet zu werden, und imstande, darüber nachzudenken, wo sie sich befand.
    Ein Kloster! Ja, es war ein köstliches Gefühl, in einem richtigen alten Kloster zu sein, aber sie bezweifelte, als sie sich im Zimmer umsah, ob irgendetwas in ihrer unmittelbaren Umgebung sie darauf hingewiesen hätte. Das Mobiliar entsprach in seiner Reichhaltigkeit und Eleganz dem modernen Geschmack. Wo sie einen altmodischen Kamin von enormer Größe und mit schwerem Schnitzwerk erwartet hatte, befand sich ein moderner Kamin mit schräger Rückwand, Kacheln aus schlichtem, aber schönem Marmor und Verzierungen von feinstem englischen Porzellan. Die Fenster, die sie mit besonderem Interesse ansah, weil sie gehört hatte, wie der General davon sprach, dass er ihre gotische Form mit pietätvoller Sorgfalt bewahre, entsprachen noch weniger dem Bild ihrer Phantasie. Die Spitzbögen waren zwar erhalten, ihre Form war gotisch, sie waren sogar unterteilt,

Weitere Kostenlose Bücher