Kloster Northanger
Stimmung der Reisegesellschaft entspannter gewesen, dann hätte ihr die Verzögerung nichts ausgemacht, aber General Tilney, obwohl ein so charmanter Mann, schien die gute Laune seiner Kinder ständig zu dämpfen, und außer ihm sagte kaum jemand etwas. Diese Beobachtung, und dass er mit der Bedienung des Gasthofs durchweg unzufrieden war, und auch seine unbeherrschte Art mit dem Kellner erhöhten Catherines Scheu vor ihm mit jeder Minute und dehnten die zwei Stunden zu vier. Schließlich allerdings wurde der Befehl zur Abfahrt gegeben, und groß war Catherines Überraschung, als der General vorschlug, dass sie den Rest der Reise im offenen Wagen seines Sohnes fortsetzen sollte. Das Wetter sei schön und ihm liege daran, dass sie soviel wie möglich von der Landschaft zu sehen bekäme.
Die Erinnerung an das, was Mr. Allen über junge Männer und ihre offenen Wagen gesagt hatte, ließ sie bei diesem Vorschlag erröten, und sie dachte zuerst daran, ihn abzulehnen, aber dann ließ sie sich von ihrem Vertrauen in General Tilneys besseres Urteil bestimmen. Er würde ihr nichts Ungehöriges vorschlagen, und binnen weniger Minuten fand sie sich neben Henry Tilney im offenen Wagen und war glücklich wie noch nie. Schon nach kurzer Zeit war sie überzeugt, dass so ein Zweispänner einfach unübertrefflich war. Der große Vierspänner rollte zwar majestätisch dahin, aber er war ein schwerfälliges und umständliches Gefährt, und sie erinnerte sich nur zu gut an den zweistündigen Aufenthalt in Petty-France. Die halbe Zeit hätte für den Phaeton genügt, und die munteren Pferde waren so aufgelegt, sich zügig vorwärtszubewegen, dass sie die Kutsche des Generals spielend in einer halben Minute hätten überholen können, wenn er nicht darauf bestanden hätte, vorwegzufahren. Aber die Vorzüge des Zweispänners waren nicht allein den Pferden zu verdanken, Henry fuhr so geschickt, so leise, ohne jede Aufregung, ohne sich vor ihr aufzuspielen oder zu fluchen, so ganz anders als der einzige Gentleman-Kutscher, mit dem sie die Möglichkeit hatte, ihn zu vergleichen. Und dann saß sein Hut so gut, und die unzähligen Pelerinen seines Reisemantels sahen auf kleidsame Weise so gewichtig aus. Von ihm gefahren zu werden, war, außer mit ihm zu tanzen, zweifellos das größte Glück auf Erden. Und zu allen anderen Freuden kam nun auch noch, dass sie ihr eigenes Lob hörte, jedenfalls im Namen seiner Schwester den Dank für ihre Freundlichkeit empfing, ihr Gast zu sein, was als Akt echter Freundschaft betrachtet und als Anlass zu aufrichtiger Dankbarkeit angesehen wurde. Seine Schwester, sagte er, sei etwas unglücklich daran, sie habe keine weibliche und manchmal bei der häufigen Abwesenheit ihres Vaters gar keine Gesellschaft.
»Aber wie ist das möglich«, fragte Catherine, »sind Sie nicht bei ihr?«
»Northanger ist nur mein zweites Zuhause; ich habe mich in meinem eigenen Haus in Woodston eingerichtet, fast zwanzig Meilen von dem meines Vaters entfernt, und einen Teil meiner Zeit muss ich notgedrungen dort verbringen.«
»Wie leid Ihnen das tun muss!«
»Es tut mir immer leid, Eleanor allein zu lassen.«
»Ja, aber abgesehen von Ihrer Zuneigung zu ihr müssen Sie doch so an dem Kloster hängen. Wenn man an ein solches Zuhause wie ein Kloster gewöhnt ist, muss ein gewöhnliches Pfarrhaus doch sehr enttäuschend sein.«
Er lächelte und sagte: »Ihre Erwartungen von dem Kloster sind ja sehr hochgespannt.«
»Ja natürlich. Ist es denn nicht so ein wunderbares altes Gebäude, genau wie was man so liest?«
»Und sind Sie auf all die Schrecken vorbereitet, die ein Gebäude, ›genau wie was man so liest‹, bereithält? Haben Sie ein tapferes Herz? Nerven genug für geheime Tapetentüren?«
»O ja, ich glaube nicht, dass ich leicht zu erschrecken bin, denn es sind ja so viele Leute im Haus, und außerdem stand es nie unbewohnt und jahrelang verlassen, und dann kommt die Familie zurück, ohne ihre Rückkehr anzukündigen, wie es im Allgemeinen in Romanen geschieht.«
»Nein, natürlich nicht. Wir brauchen uns nicht in die große, von der verlöschenden Glut eines Holzfeuers schwach erleuchtete Halle vorzutasten; auch sind wir nicht darauf angewiesen, unser Bett auf dem Fußboden eines Zimmers ohne Fenster, Türen oder Möbel aufzuschlagen. Aber Sie müssen wissen, dass eine junge Dame, wenn sie (auf welche Weise auch immer) ein solches Gebäude zum ersten Mal betritt, immer weitab von den übrigen Familienmitgliedern
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