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Kloster Northanger

Kloster Northanger

Titel: Kloster Northanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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sehen und ihm so viel zu sagen hatte, denn es war beinahe eine halbe Stunde seit seiner Ankunft vergangen, und Eleanor kam immer noch nicht herauf.
    In dem Moment glaubte Catherine, ihren Schritt in der Galerie zu hören, und lauschte angestrengt. Aber alles war ruhig. Kaum hatte sie sich allerdings davon überzeugt, dass alles Einbildung gewesen war, als ein Geräusch ganz in der Nähe der Tür sie zusammenfahren ließ. Es war, als berühre jemand den Türpfosten – und einen Augenblick später bewies eine leichte Bewegung der Türklinke, dass eine Hand darauf liegen musste. Sie zitterte ein wenig bei dem Gedanken, dass sich jemand verstohlen ihrer Tür näherte. Aber entschlossen, sich nicht von kindischen Angstvorstellungen hinreißen oder von ihrer überspannten Phantasie irreführen zu lassen, stand sie leise auf und öffnete die Tür. Eleanor, und niemand anders als Eleanor stand davor. Catherine fühlte sich allerdings nur vorübergehend beruhigt, denn Eleanors Wangen waren blass, und sie machte einen verstörten Eindruck. Obwohl sie offensichtlich die Absicht hatte, hereinzukommen, schien es sie große Mühe zu kosten, das Zimmer zu betreten, und noch größere zu sprechen, als sie darin war. Catherine, die Hauptmann Tilney für den Grund ihrer Verlegenheit hielt, konnte ihr Mitgefühl nur dadurch zu verstehen geben, dass sie sich schweigend um sie bemühte: Sie zwang sie, sich zu setzen, rieb ihr die Schläfen mit Lavendelwasser ein und umsorgte sie mit liebevoller Fürsorglichkeit. »Meine liebe Catherine, Sie dürfen nicht … Sie dürfen wirklich nicht …«, waren Eleanors erste zusammenhängende Worte. »Es geht mir ja gut. Diese Fürsorge beschämt mich … ich kann sie nicht ertragen … ich komme mit einer solchen Nachricht zu Ihnen!«
    »Eine Nachricht! Für mich?«
    »Wie soll ich es Ihnen sagen! Oh, wie soll ich es Ihnen nur sagen?«
    Ein neuer Gedanke schoss Catherine durch den Kopf, und während sie so blass wurde wie ihre Freundin, rief sie aus: »Es ist ein Bote von Woodston!«
    »Sie irren sich«, entgegnete Eleanor und sah sie mitleidig an. »Es ist niemand von Woodston. Es ist mein Vater.« Ihr versagte die Stimme, und sie senkte die Augen, als sie seinen Namen erwähnte. Diese unerwartete Rückkehr genügte, um Catherines Mut gänzlich sinken zu lassen, und einen Augenblick lang glaubte sie, dass es gar keine schlimmere Nachricht geben könne. Sie schwieg. Eleanor versuchte, sich zu fassen und mit Festigkeit zu sprechen, und fuhr dann, die Augen immer noch zu Boden gesenkt, fort: »Ich weiß, Sie sind zu verständnisvoll, um mir die Rolle, die ich spielen muss, zu verübeln. Ich bin wahrhaftig ein Bote wider Willen. Nach allem, was wir erst neulich besprochen, was wir erst neulich verabredet haben – wie freudig, wie dankbar auf meiner Seite – über Ihren weiteren Aufenthalt hier, der, wie ich hoffte, noch viele, viele Wochen dauern würde, wie kann ich Ihnen sagen, dass Ihre Freundlichkeit nicht akzeptiert wird und dass das Glück, das uns Ihre Gesellschaft bisher geschenkt hat, vergolten wird durch … aber mir steht ein solches Urteil nicht zu. Meine liebe Catherine, wir müssen uns trennen. Meinem Vater ist eine Verabredung eingefallen, derentwegen unsere ganze Familie am Montag abfahren muss. Wir fahren vierzehn Tage lang zu Lord Longtown nach Hereford. Erklärung und Entschuldigung sind gleichermaßen unmöglich. Es gibt sie nicht.«
    »Meine liebe Eleanor«, rief Catherine und versuchte, ihre Empfindungen, so gut sie konnte, zu unterdrücken, »nehmen Sie es sich nicht so zu Herzen. Eine frühere Verabredung hat den Vorrang vor einer späteren. Es tut mir sehr, sehr leid, dass wir uns trennen müssen – so bald und auch so plötzlich. Aber ich bin nicht beleidigt, nein, gar nicht. Ich kann meinen Besuch hier jederzeit abbrechen. Aber ich hoffe, Sie besuchen mich. Können Sie, wenn Sie von diesem Lord zurückkehren, nach Fullerton kommen?«
    »Dazu werde ich nicht imstande sein, Catherine.«
    »Dann kommen Sie, wenn Sie können.«
    Eleanor gab keine Antwort. Catherines Gedanken kehrten zu einem Problem zurück, das sie viel dringender beschäftigte, und sie dachte laut, als sie fortfuhr: »Montag – schon Montag. Und Sie fahren
alle
. Aber ich bin sicher, dass … Es wird mir nicht so schwerfallen. Ich brauche ja erst unmittelbar vor Ihnen abzufahren. Nehmen Sie es nicht so tragisch, Eleanor, ich kann gut am Montag abfahren. Dass meine Mutter und mein Vater nichts davon wissen,

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