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Klostergeist

Titel: Klostergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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knarrte es auf der Stiege. Ob die Kommissarin sich verlaufen hatte? Ob sie im Haus herumschnüffelte? Bärbel brummelte vor sich hin – eigentlich hätte sie morgen länger liegen bleiben können, doch diese Verena Sonstnochwer hatte das im Zimmerpreis von 49 Euro inbegriffene Frühstück auf 7 Uhr bestellt.
    Unwahrscheinlich, dass die Polizistin mitten in der Nacht durchs Haus streifte. Als Bärbel den letzten Gast endlich aus der Schankstube gefegt hatte, war das Licht im Zimmer der Kommissarin längst erloschen gewesen. Bärbel hatte es genau gesehen, unter dem Türspalt war kein heller Streifen in den Flur gedrungen.
    Die Wirtin schauderte. Noch einmal knarrten die Stiegen. Ein Scharren war zu hören. Kam näher. Wurde langsam lauter. Bärbel stockte der Atem. Ihr Herz raste und in ihrem Bauch rebellierte das Kind, als wolle es die Mutter warnen. Bärbels Hände fuhren unter die Decke, umklammerten den Leib. Winzige Gliedmaßen stießen von innen gegen die Bauchdecke, quetschten den Magen, traten gegen die Blase. Kalter Schweiß brach der Wirtin aus. Doch sie rutschte tiefer und tiefer unter die Decke, als könnten die Daunen sie schützen vor … Wovor eigentlich? Vor wem?
    Das Scharren hörte auf. Einen Moment lang herrschte absolute, vollkommene Stille. Bärbel meinte, ihr Herzschlag müsste bis auf den Marktplatz dröhnen, so laut wummerte es in ihrer Brust. Trotzdem – oder deswegen? – schaffte sie es, mit den Fäusten eine winzige Öffnung zwischen Decke und Matratze zu schieben. Vorsichtig lugte sie in das Zimmer, das nur von der trüben Laterne in der
 schmalen Gasse hinter dem Bären erhellt wurde. Da standen ihre Birkenstocklatschen auf dem Lammfell vor dem Bett, da war das abgetretene Laminat, die Beine des Stuhles vor dem unter der Dachschräge eingebauten Kleiderschrank, und da war die Tür, die sich langsam, unendlich langsam öffnete. Ein Schatten fiel auf das Laminat. Wurde länger, größer. Schwärzer. Schwappte ins Zimmer wie ein Eimer voll Kloake. Langsam. Zähflüssig.
    Bärbel wollte schreien. Doch ihre Kehle war zugeschnürt wie ein Paket, ihr Gaumen trocken. Sie zitterte. Kniff die Augen zusammen. Krallte die Finger in die Decke, bis sie schmerzten.
    »Ich bin es.«
    Bärbel stockte der Atem. Eiskalter Schweiß trat ihr aus allen Poren.
    »Ich bin es, Bärbel.«
    Hinter dem Schatten glitt die Tür langsam und geräuschlos zu. Die Wirtin presste die Lider zusammen, so fest sie nur konnte.
    »Ich bin es.«
    Bärbel spürte, wie eine Hand nach der Bettdecke griff. Daran zog. Als habe jemand alle Kraft aus ihrem Körper gesaugt, fielen ihre Hände von der Decke ab. Schlaff wie eine Puppe lag sie da und ließ es geschehen, dass die Decke vom Bett gezogen wurde.
    »Versteck dich nicht, ich bin es doch.«
    »Manfred«, formten ihre Lippen, doch kein Laut kam herüber.
    Allmählich schälte sich die Gestalt eines Mannes aus dem Dunkel des Zimmers und der Schatten nahm Konturen an. Der schwache Duft von ›Axe Alaska‹, gepaart mit einer Prise ›Tabac Original‹ schwebte in der Luft, als die Gestalt sich auf den Bettrand setzte.
    Bärbel spürte eine Hand auf ihrer Schulter. »Aber das kann nicht … du bist doch … Manfred!«, stammelte sie. Hastig tappte sie neben sich, fand den Schalter und mit einem Schlag erhellte das grelle Licht der Nachttischlampe das Zimmer. Bärbel schrie auf.
    »Nicht wahr, das sieht nicht schön aus«, sagte Manfred Engel und strich sich mit der Hand über die zerschundene Stirn. Das linke Auge war zur Gänze zugeschwollen, kaum zu erahnen. Über den Brauen klaffte eine Wunde, an deren Rändern das Blut getrocknet war. Die Nase war nur mehr ein Fleischklumpen und dort, wo das Kinn hätte sein sollen jenes Kinn, das Bärbel so gerne gestreichelt hatte, wenn der Bart ihres Geliebten als kleine blonde Stoppeln an ihrer Haut kratzte, stachen grellweiße Knochen aus dem blutroten Fleisch.
    »Du …« Mehr brachte Bärbel nicht heraus. Manfreds rechtes Auge glitt wie eine Murmel in seiner Höhle hin und her. Schien keinen Halt zu finden bei dem, was er sah. Und blieb dann doch auf Bärbels prallem Bauch haften.
    »Das Kind.« Manfreds Stimme war kalt. Eiskalt. »Es geht nicht. Nicht jetzt. Kein Kind.«
    Bärbel riss die Augen auf. Umklammerte den Bauch. Sah, wie Manfred hinter sich griff. Ein Messer hinter seinem Rücken hervorholte. Die Klinge blitzte im Schein der Nachttischlampe. Bärbel krallte sich am Metallpfosten des Bettes fest, wollte sich hochziehen.

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