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Klostergeist

Titel: Klostergeist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Porath
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durch seine Finger gleiten.
    »Ave Maria«, begann er. Weiter kam er aber nicht. »Ach, Herr, ich würde halt doch gern wissen, ob das da eben nicht einer von den Engelbrüdern war…«
     
    Hier ist Radio Donauwelle, euer Sender für den Kreis Tuttlingen! Am Mikro begleitet euch bis kurz vor Mitternacht eure Svenja. Ich hoffe, ihr seid besser drauf als die Leute heute bei meinem Hausarzt. So viele Schnupfenviren auf einmal hab ich noch nie erlebt. Wenn ich mich angesteckt habe, dann hört ihr mich morgen krächzen. Bis dahin wünsche ich euch einen schönen Abend! Packt euch warm ein und trinkt einen heißen Tee. Wer noch unterwegs ist, sollte bei Immendingen runter vom Gas. Die Polizei hat eine mobile Radarfalle aufgestellt.
    Für alle, die schon zu Hause auf dem Sofa lümmeln, kommt der nächste Song: ›I go to sleep‹ von den Pretenders.
     
    Als Verena sich nach einigen Minuten wieder auf ihren Stuhl gleiten ließ, hielt sie in der rechten Hand einen Schlüssel, der an einem schweren eisernen Anhänger befestigt war, wie er in Hotels üblich ist.
    »Zimmer vier war noch frei«, lächelte sie. »Ich glaub, das ist das, von dem aus man direkt hoch zum Berg schauen kann.«
    Pius nickte stumm. In Gedanken war er noch immer im Beichtstuhl.
    »Ist dir was eingefallen?«, fragte sie und sah ihn eindringlich an.
    Pius öffnete den Mund. Vielleicht könnte er seinem ehemaligen Schützling eine Spur liefern? Pius schloss den Mund wieder. Nein. Das Beichtgeheimnis war verbindlich. Immer. Auch bei schweren Verbrechen.
    »Tut mir leid, Verena, aber ich glaube nicht, dass ich dir helfen kann.«
    Die Kommissarin bemerkte die roten Flecken im Gesicht des Paters. Er wusste etwas. Verena war sich sicher. Doch sie bohrte nicht nach. Pius würde schweigen, wenn er es für richtig hielt und er würde reden, wenn er reden wollte.
    »Trotzdem danke, Pater Pius«, flüsterte sie.
    »Mit Vergnügen«, antwortete er und prostete Verena zu.
    »Ja, mit Vergnügen werde ich mir jetzt ein Viertele bestellen. Ich muss ja nicht mehr heimfahren«, lachte die Kommissarin und ließ den Schlüssel in ihrer Hand klimpern.
    Pius verzog den Mund. Dann bestellte er noch ein Alkoholfreies.
     
    Hier ist Radio Donauwelle, euer Sender für den Kreis Tuttlingen. Am Mikro ist eure Svenja. Meine Nase kribbelt, aber das kann auch vom Parfüm kommen, das ich eben ausprobiert habe. Unser Werbepartner Drogerie Maier weist auf die Dufttage hin – ab morgen gibt’s bis zum Wochenende 20 Prozent Rabatt auf alle Parfüms.
    Die Polizeidirektion Tuttlingen meldet, dass Fahrzeuge, die für die Nacht am Donauspitz geparkt sind, besser weggefahren werden sollten. In den vergangenen Wochen ist es wiederholt zu Autoaufbrüchen gekommen. Wenn ihr also an eurem Autoradio hängt – tut, was die Polizei sagt.
    Ob im Auto oder zu Hause, bei der Arbeit oder bei Freunden: Dreht den Lautsprecher auf, denn gleich kommen Rammstein mit ›Du riechst so gut‹.
     
    Das leise Knarren im Flur ließ Bärbel aufschrecken. Einen Moment lang lag sie still, presste den Hinterkopf an das Kissen und zog die Bettdecke ein wenig höher. Sie schmatzte leise, um den schalen Geschmack des Schlafes aus ihrem Mund zu vertreiben. Mit einem Seufzer wuchtete sie sich auf die rechte Seite und zog die Beine an. Ihr war, als sei ihr Bauch aufgeblasen. Fett. Schwer.
    Bärbel atmete schwer und versuchte, wieder einzuschlafen. Von unten, aus der Gaststube, zog noch immer leichter Biergeruch nach oben in ihre kleine Wohnung. Getrennt durch eine doppelflügelige Glastür, an der ein rot bemaltes Schild ›Privat – Zutritt verboten‹ prangte, hatte sie sich diese drei Räume von den Gästezimmern abgezwackt. Ein winziges Bad, eben gerade groß genug für ein Klo, eine Dusche und ein in die Ecke gequetschtes Waschbecken. Ein Wohnzimmer, dessen Fenster zur Hauptstraße hinausging. Ein vollgestopfter Raum, halb Büro, halb Lager für Bügelbrett und Weihnachtsdekoration, und das Schlafzimmer. Jedes Mal, wenn sie diesen Raum betrat, erinnerte die Wirtin des ›Bären‹ sich daran, wie sie das Bett ausgesucht hatte: Ein französisches sollte es sein, mit geschwungenen Metallfüßen. Ein Bett wie aus einem Film mit Brigitte Bardot. Bärbel hatte lange danach gesucht – und es erst Monate nach dem Einzug schließlich bei eBay entdeckt.
    Jetzt lag sie, schwerfällig wie ein Walross, auf der Gesundheitsmatratze, schwitzte unter der Daunendecke mit dem Biberbezug und lauschte in die Dunkelheit. Da! Wieder

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