Klotz, Der Tod Und Das Absurde
Aufenthaltsraum vorbeikam,
sah er die Zangenberg, die schnell irgendein Papier in ihre Tasche steckte und
ihre Zigarette hektisch in den Aschenbecher drückte. Er öffnete die
gegenüberliegende Tür und betrat das Büro.
Klotz hatte Biros Nummer gewählt. Aus der Muschel ertönte das
Freizeichen. Biro nahm ab.
»Woher hast du damals eigentlich gewusst, dass es nicht Mord sein
konnte?«, fragte Klotz ohne irgendeine Einleitung. Kurze Stille am anderen
Ende.
»Weißt du, wie man den Bereich zwischen Leistengegend und Brustkorb
nennt?«, fragte Biro und lachte. Dann legte er auf.
Klotz blieb noch eine Weile sitzen, sah auf die Bäume, die sich vor
seinem Fenster in einem Wind beugten, der immer stürmischer zu werden schien.
Bevor er sich wieder in den Konferenzraum aufmachte, nahm er von seinem
Schreibtisch einen Dartpfeil und warf ihn auf die Scheibe, die über dem
Rollschrank hing, der die aktuellen Ermittlungsakten enthielt. Das wäre doch
gelacht!
Es gab da noch eine Sache, die irgendwie rätselhaft war. Haevernick
hatte sie als Erstes angesprochen. Am unteren Rand des Abschiedsbriefs war an
zentrierter Position eine seltsame Skizze aufgedruckt. In einem Quadrat, etwa
zwei auf zwei Zentimeter, kreuzten sich zwei Diagonalen. Hatte das etwas zu
bedeuten? War es möglicherweise das Markenzeichen eines speziellen
Briefpapiers? Handelte es sich um eine Art Symbol? Escherlich interpretierte
das Zeichen als eine Botschaft des Mörders, die es irgendwie zu entschlüsseln
galt. Vielleicht war es ein Hinweis. Vielleicht auch nicht. Doch wie sollten
sie den Besitzer eines solchen besonderen Briefpapiers ermitteln? Klotz fühlte
sich an Gummlers Cheopspyramide erinnert. Wohlweislich behielt er seine
Assoziation für sich.
Jetzt saßen sie wieder in ihrem Büro. Escherlich zerrte gerade die
Kaffeekanne aus der Maschine, und Klotz, der dabei war, sich eine Zigarette zu
drehen, betrachtete das Poster, das auf der Tür klebte. Rocky Balboa, der im
Central Park einer Statue gegenüberstand und die boxbehandschuhten Arme in Siegerpose
zum Himmel hob. His whole life was a million-to-one shot . So etwas würde er auch gerne mal über sein Leben
sagen können, dachte er und ignorierte, dass sein Kollege beim Einschenken
wieder einmal den Kaffee verschüttet hatte.
»Was meinst du? War es nun Mord oder nicht?«, fragte Escherlich, der
sich an seinem Schreibtisch gegenüber niederließ.
»Ich dachte, du wärst dir genauso sicher wie ich?!«, antwortete
Klotz irritiert.
»Na ja, die Gulden hat wohl nicht ganz unrecht.«
»Wie? Was meinst du?«
»Na ja, ich wollte dir den Rücken stärken, ist doch klar. Du bist
schließlich mein Kollege, und du weißt, was du tust. Würdest du umgekehrt doch
genauso machen, oder? Überhaupt müssen wir zusammenhalten gegen die da oben.
Sind doch alles nur Theoretiker.«
Klotz schwieg. Nachdem er einen Schluck Kaffee und einen Zug
genommen hatte, antwortete er:
»Im Moment ist das eigentlich egal, ob es Mord oder Selbstmord war.
Wir müssen mit unserer Arbeit weitermachen. Immerhin hat die Gulden uns zwei
Tage gegeben, um die Sache ordentlich unter die Lupe zu nehmen. Und auch von
der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung her ist das letzte Wort noch nicht
gesprochen. Was wir haben, ist doch alles vorläufig und unvollständig.
Letztendlich haben wir nichts. Null, nada, niente !«
»Oho. Der Herr spricht sieben Sprachen. Respekt, Respekt.«
Klotz nahm den Locher und warf ihn einem lachenden Escherlich
hinterher.
Er hatte sie alle losgeschickt. Zuallererst Haevernick. Die Spuren,
die unverarbeitete Schreckenserlebnisse im emotionalen Gedächtnis hinterlassen
konnten, waren ihm nur allzu gut vertraut. Er kannte da eine Psychologin beim
Sozialdienst der Polizei. Vor Jahren hatte auch er einmal ihre Hilfe in
Anspruch nehmen müssen. Er gab Haevernick die Nummer und sagte ihr, dass sie in
den nächsten Tagen ruhig zu Hause bleiben konnte.
Als Kommissaranwärter durfte Zebisch eigentlich nur Einsätze in
Begleitung vornehmen. Auf der anderen Seite musste er etwas lernen. Klotz, der
in manchen Fällen eine Friss-Vogel-oder-stirb-Pädagogik einer sanften Herangehensweise
vorzog, hatte ihn zu Breslauers Betonfirma geschickt. Klotz wusste von
vornherein, dass dies nichts bringen würde, schließlich war ja Escherlich
gestern schon vor Ort gewesen, aber Strafe musste ja auch irgendwie sein. Hätte
Zebisch die Gulden nicht auf die Suizidtheorie gebracht, dann hätte er heute
vielleicht mit
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