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Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Klotz Und Der Unbegabte Moerder

Titel: Klotz Und Der Unbegabte Moerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Klier
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die Küche. Stellte die leere Bierflasche auf die Spüle und legte Melanies Zettel daneben. Gab es denn irgendjemanden, für den er nicht ein Klotz am Bein war?
    Als er die Klinke der Wohnungstür gedrückt hatte, rief er Wasim, der gerade auflachte, noch ein paar Worte zu:
    »I have to go. You can stay here this night. My girlfriend will come. Perhaps.«

Tag sechs
    Es war fünf vor halb vier. Klotz stand an einer niedrigen Brüstung am Unteren Bergauerplatz und hörte dem Rauschen der Pegnitz zu, die über ein nahe gelegenes Wehr schäumte. Wenn er sich jetzt in die Fluten stürzen würde, würde sich das Problem nicht lösen, dachte er. Alkohol war da schon besser. Der löste zwar auch keine Probleme, aber man vergaß beim Trinken die Fragen.
    Er drehte sich um und sah dem Barkeeper der »Roten Bar« dabei zu, wie er die letzten Tische und Stühle vor der Lokalität zusammenklappte und in den Innenraum trug. Jetzt kannte er ihn sogar mit Vornamen, den Klaus. Und Klaus hatte ihm in den letzten fünf Stunden alle möglichen Drinks serviert. Caipirinha, Sueno 43, Mai Tai, Erdbeerlimes, Banana Mudslide, Hannibal und noch viele andere, deren Namen er vergessen hatte. Und auch die Kreditkarte hatte Klaus nicht vergessen, hatte sie ihm inklusive eines Kassenbelegs, der fast hundertfünfzig Euro aufwies, diskret in die Brusttasche seiner Jacke gesteckt. Hatte ihm – mit einem wohlwollenden Barkeeperlächeln – zum Schluss noch auf die Schulter geklopft. Die Tür aufgehalten. Ihn, ein schönes Wochenende wünschend, in den frühen Freitagmorgen entlassen. Der Mann beherrschte seinen Job. Ganz im Gegensatz zu Klotz, der sich inzwischen wieder umgedreht hatte und nun über den Fluss auf die Vordere Insel Schütt starrte, genauer gesagt auf den mittelalterlichen Männerschuldturm. Und er hätte es als durchaus angemessen empfunden, wenn der Turm ihn in seine strafenden Mauern aufgenommen hätte. Damit er, der erste Loser vor dem Herrn, die nächsten hundert Jahre lang für seine groben Verfehlungen büßen konnte.
    Doch der Turm öffnete seine Mauern nicht. Er machte nicht einmal einen Mucks. Stand nur da, stumm und dunkel. Das Einzige, was er tat, war Klotz die Insignien der Stadt Nürnberg vorzuhalten, die oben auf einem kleinen Erker eingemeißelt waren und drohend auf ihn herabblickten. Durchaus auch etwas abschätzig, wie Klotz fand. Als wäre er es nicht wert in dieser Stadt zu leben, deren Andenken und Ruf er durch sein vermurkstes Leben und seine dummen Handlungen so sehr beschmutzt hatte.
    Alles Nach- und Schräg- und Quergedenke half nichts. Das Leben ging weiter. Eine dämliche Plattitüde, dieser Spruch, dachte Klotz. Dämlich und simpel. Doch meistens waren es eben gerade die einfachen Dinge, in denen die Wahrheit steckte. Klotz wandte dem Schuldturm seinen Rücken zu und machte sich auf den Weg.
    Nach einer halben Stunde war er am Färbertor angekommen. Ein Matratzengeschäft auf der einen und die historische Frauentormauer auf der anderen Seite bildeten eine Art Eingang in ein Gebiet, das sich nicht nur bei den ortsansässigen Nürnbergern großer Beliebtheit erfreute. Und Klotz betrat nun dieses Terrain, diesen bundesweit bekannten Sündenpfuhl, mutig und ohne irgendwelche Gewissensbisse. Nach wenigen Metern hatte er das erste Etablissement erreicht. Eine stahlblonde Dame stand hinter einer Glastür. Sie trug ein schwarzes Korsett, hochhackige Stiefel und Netzstrümpfe. Während sie den Rauch ihrer Zigarette in die Luft blies, warf sie Klotz ein Küsschen zu. Klotz ging weiter.
    Vereinzelt liefen Freier durch die Gasse, teils verhuscht und teils zielstrebig. Hielten sich wahlweise im Schatten der Mauer auf oder verhandelten mit den Mädchen, die ihre Auslage an den geöffneten Fenstern feilboten.
    Irgendwie wusste Klotz gar nicht so genau, warum er hierhergekommen war. Eine Art Zufall? Er hatte sich treiben lassen, so wie das Wasser in der Pegnitz. Jetzt, wo es keinen Hafen, keinen Rettungsanker mehr für ihn gab, war sowieso alles wurscht. Er sah hinauf zur Mauer und nahm den hölzernen Wehrgang wahr, der vom späten Mittelalter bis in die frühe Neuzeit Verteidigungszwecken gedient hatte. Dort oben war kein Mensch. Heute bedurfte es keiner Verteidigung mehr. Und so wie um diese Mauer stand es auch um ihn selbst, dachte er. Seine Erscheinung ähnelte der eines uneinnehmbaren Bollwerks, das sich durch Masse und einen grimmigen Blick auszeichnete. Doch das war nur Schein, war nur Schall und Rauch, nichts

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