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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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sich Sheen unter den Arm, stellt sich an die Tür. Er spürt den asymmetrischen Blick des jungen Mannes hinter sich. Er drängt aus dem Zug, schlängelt sich durch die Menge, eilt die Stufen der U-Bahn-Station hoch und zwingt sich, nicht nach hinten zu sehen.
    Auf der Straße, einen Block weiter, dreht er sich um.
    Puh! Kein junger Mann.
    Er geht drei Blocks, erreicht sein Auto. Dreht sich wieder um.
    Immer noch kein junger Mann.
    Er setzt sich hinters Steuer, schaut in den Rückspiegel. Kein junger Mann. Er seufzt, streicht über seinen Schnurrbart, betupft sein Make-up. Er wünscht, er könnte Margaret anrufen und ihr sagen, dass er spät dran ist. Aber sie hat kein Telefon. Er dreht den Schlüssel im Zündschloss.
    Nichts.
    Nein, nein, nein, sagt er. Er dreht den Schlüssel noch mal. Der Motor klickt, springt aber nicht an. Verdammt noch – Er steigt aus, klappt die Haube auf. Es muss an der Batterie liegen. Aber wie kann das sein? Das Auto ist neu. Eben erst gekauft. Er überlegt, wie lange es dauern könnte, bis jemand von Sonny’s Service Center drüben an der Third kommen und ihm Starthilfe geben könnte? Er schaut auf die Uhr. In vierzig Minuten ist Margarets Arzttermin.
    Hinter sich hört er jemanden. Er dreht sich um. Zwei Cops. Seine Beinmuskeln zucken – er ist kurz davor loszurennen. Aber dann sieht er die lockere Haltung der beiden, die gelangweilten Augen. Sie sind nicht hinter ihm her.
    Der linke Cop schiebt seine Mütze nach hinten. Gehört Ihnen das Auto?
    Ja, Officer.
    Fahrerlaubnis und Fahrzeugschein.
    Willie fischt in seiner Brusttasche, reicht dem linken Cop Führer- und Fahrzeugschein. Der rechte Cop mustert Willie von oben bis unten.
    Alles in Ordnung, sagt Linker Cop zu Rechtem Cop.
    Linker Cop faltet den Fahrzeugschein zusammen, steckt ihn unter die Fahrerlaubnis, reicht beides zurück. Entschuldigen Sie die Umstände, sagt er. Schönen Tag noch, Mr Loring.
    Nicht der Rede wert, Freunde.
    Ihr schwarzweißes Auto ist hinter Willies geparkt. Sie steigen ein, fahren davon.
    Willie beugt sich wieder unter die Haube. Wenn er sein rasendes Herz an die leere Batterie anschließen könnte, wäre er längst unterwegs.
     
    Sie verlassen Dean Street, fahren auf der Fourth in Richtung Süden. Bei einer roten Ampel legt Knipser seine Kamera auf den Schoß und tätschelt sie wie einen Hund. Er öffnet die Kameratasche, holt ein Objektiv heraus, überprüft es auf Flecken, fixiert es auf der Kamera wie ein Bajonett.
    Geladen und entsichert, sagt er zu Sutton. Endspurt, Mann.
    Es ist grün, sagt Schreiber.
    Knipser gibt Gas.
    Schreiber wickelt einen Schokoriegel aus, beißt die Hälfte ab und schlägt eine Mappe auf. Also – Mr Sutton. 18 . Februar 1952 . Laut diesem Artikel leben Sie in der Dean Street, gehen mit Margaret und rauben alle paar Wochen mit zwei Komplizen eine Bank aus. Tommy Kling und Johnny DeVenuta?
    Sutton lockert seine Krawatte. Mad Dog und Dee, sagt er. Ja.
    Lassen Sie uns den Tag durchgehen.
    Ich sollte mit Margaret wegen ihrem Auge zum Arzt.
    Was war mit ihrem Auge?
    Es wurde immer größer.
    Größer?
    Wir wussten nicht, warum. Und sie hatte Angst vor Ärzten. Deshalb musste ich darauf bestehen und versprechen, sie zu begleiten. Am Morgen traf ich mich mit Mad Dog auf einen Kaffee. Dann fuhr ich wieder nach Brooklyn. Ich war spät dran. Als ich die Treppe zur U-Bahn runterging, hörte ich den Zug kommen. Ich rannte, gab mein Äußerstes. Wie Jackie Robinson, der zur Homebase sprintet. Kannst du dir das vorstellen, Kleiner?
    Was vorstellen?
    Dass alles anders wäre. Wenn ich nicht gerannt wäre. Wenn ich nicht durch die fast schon geschlossene Tür gesprungen wäre. Wenn ich kein Zehn-Cent-Stück in der Tasche gehabt hätte. Wenn eine Fahrt immer noch fünf Cent gekostet hätte. Weißt du, wer in all den Jahren dafür gesorgt hat, dass eine U-Bahn-Fahrt fünf Cent kostet? Mr Untermyer. Er hat das Transportwesen in New York quasi geleitet. Aber er war gestorben.
    Was wäre anders?
    Alles. Angefangen damit, dass wir jetzt nicht in diesem gottverdammten Auto sitzen würden.
     
    Ein paar Minuten später kommen die Cops zurück.
    Mr Loring, sagt Rechter Cop. Ich fürchte, Sie müssen mit uns kommen.
    Was ist denn los, Officer?
    Linker Cop zieht seine Hose hoch. In diesem Viertel gab es eine Reihe von Autodiebstählen. Unser Sergeant möchte, dass wir alles überprüfen.
    Meine Papiere hab ich Ihnen doch schon gezeigt.
    Ja, Sir, sagt Rechter Cop. Reine Routine.
    Willie zuckt

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