Knapp am Herz vorbei
Sein Flehen hilft. Brooklyn geht im neunten Inning 4 : 2 in Führung.
Noch drei Outs, Margaret. Drei kleine Outs.
Sie wirft ihm einen Kuss zu, als ob er auf dem Wurfmal stünde. Hurra, Julius.
Die Giants haben schnell zwei Mann auf Base. Und holen einen Punkt: 4 : 3 . Thomson stolziert zur Homeplate. Nein, sagt Willie, bitte, nicht Thomson. Alles an Bobby Thomson macht Willie Angst, sogar der Name. Er denkt an die vielen Gefängniswärter, die ihre Thompsons auf ihn gerichtet hielten. Thomson sieht sogar aus wie ein Gefängniswärter. Das große runde Gesicht. Das affenartige Grinsen.
Willie fleht die Dodgers an, bloß nicht Branca gegen Thomson pitchen zu lassen. Er fleht den Wirt an, dass sie bloß nicht Branca antreten lassen. Thomson hat erst kürzlich einen Homerun gegen Branca erzielt, sagt er dem Barkeeper. Im ersten Playoff-Spiel, weißt du noch? Wisst ihr das noch?
Die Dodgers lassen Branca antreten, und als Thomson einen satten Fastball Brancas hoch über die Leftfield-Mauer schmettert, wird es ganz still in der Bar. Willie hat diese Art von Schweigen erst einmal gehört. In der Dunkelzelle. Die Isolation des Fans.
Während Thomson um die Bases läuft und
die Giants damit den Titel erringen
, sinkt Willie mitten in der Bar auf die Knie. Margaret springt von ihrem Hocker,
die Giants gewinnen den Titel
, und rennt zu ihm. Sie hilft ihm auf, zahlt die Rechnung und führt ihn aus der Bar.
Ist nur ein Spiel, Julius. Ist nur ein Spiel.
Nein, sagt Willie. Das ist ein Zeichen. Ein Urteil.
Ich konnte nicht mehr klar denken, sagt Sutton, der auf der Dean Street auf und ab geht. Nach fünf Jahren auf der Flucht ist das kein Wunder. Ich hab mich auf das Mädchen eingelassen – Margaret. Und war vollkommen auf den Titelkampf fixiert. Scheiß Thomson.
Der Schuss, der um die ganze Welt gehört wurde, sagt Knipser und zündet sich eine Newport an.
Armer Branca, sagt Schreiber.
Scheißverräter, sagt Sutton. Ein Sportreporter schrieb damals, Ralph Branca wäre so verhasst, dass er bei Willie Sutton Nachhilfe im Flüchten nehmen sollte. Ich gebe zu, das war ein Trost.
Gut, Mr Sutton. Es ist Zeit.
Schreiber öffnet die Tür des Polara und wartet, dass Sutton einsteigt.
Sutton rührt sich nicht. Zeit wofür, Kleiner?
Sie wissen schon.
Valentinstag 1952 . Willie kauft Margaret Blumen und Pralinen. Er singt ihr ein Ständchen.
I don’t wanna play in your yard, I don’t like you anymore
. Sie klatscht, hüpft auf und ab, umarmt ihn. Ich will in deinem Garten spielen, Mr Loring.
Darfst du auch, Margaret.
Was machen wir am Valentinstag?
Ein seltenes Vergnügen. Wir machen einen Ausflug. Bei hellem Tageslicht.
Sie schnappt nach Luft. Wohin?
Du wirst schon sehen.
Sie fahren mit der U-Bahn. Margaret ist so aufgeregt, dass sie nicht stillsitzen kann. Sie muss aufstehen und hält sich am Haltegriff fest. Willie ist auch aufgeregt. Als sie jedoch in der Bronx aussteigen und sie noch aufgeregter wird, weil sie feststellt, dass sie in den Zoo gehen, ändert sich seine Stimmung langsam. Schon als er am Eingang die Tiere in ihren Käfigen sieht, wird ihm klar, dass es keine gute Idee war. Er erinnert sich an seine vielen verschiedenen Zellen – selbst sein Zimmer in der Dean Street ist nur eine weitere. Er kann seine Traurigkeit nicht verbergen und möchte es auch nicht. Er führt Margaret zu einer Bank bei den Löwen und erzählt ihr, wer er wirklich ist und was er alles getan hat.
Sie hält sich die Ohren zu.
Margaret?
Ich will das nicht hören. Du versprochen, dass du keinem weh getan, das ist genug. Der Rest ist nicht für mich. Ich will es nicht wissen, ich will nicht diese Last.
Aber –
Lalalalala.
Er nimmt ihr die Hände von den Ohren. Du hast Angst, dass du nicht mehr so gut von mir denkst, wenn du weißt, wer ich bin?
Ich habe Angst, dass ich weniger an dich denke, ich habe Angst, dass ich mehr an dich denke. Ich denke gerade genug an dich. Du willst nicht wissen, was ich alles gemacht, um zu überleben, ich will nicht alles wissen, was du gemacht.
Willie betrachtet die Löwen. Sie schauen schnell weg, als schämten sie sich, beim Zuhören erwischt zu werden. Er stellt fest, dass Margaret für ihn eine Fremde ist, auch wenn er sie mag und ohne zu zögern in den Löwenkäfig springen würde, um sie zu retten. Er kennt nur eine Geschichte, die sie ihm erzählt hat und die er ihr glaubt. Vielleicht kommt sie gar nicht aus Ägypten. Vielleicht heißt sie gar nicht Margaret.
Du hast recht,
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