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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Geschichte gewährt – oder nicht. Obwohl ich Ihnen nicht empfehlen würde, dieses Argument bei Ihrer Frau oder Freundin anzubringen.
    Willie lacht. Nein, Sir. Stimmt es, dass Sie diesen Garten für Ihre Frau angelegt haben?
    Ja, immer wenn er blüht, leide ich von neuem.
    Tut mir leid, Sir.
    Mr Untermyer räuspert sich. Darf ich Sie etwas fragen, Willie?
    Aber sicher.
    Wie ist es, eine Bank auszurauben?
    Willie setzt zu einer Antwort an. Als er Mr Untermyers Gesichtsausdruck sieht, hält er inne. Er fährt sich über die Stirn, sticht seinen Spaten in die Erde.
    Um ehrlich zu sein, Mr Untermyer, es ist ein Job. Andere Bankräuber im Knast sagen gern, dass es aufregend ist, dass es einem Mann das unglaubliche Gefühl verleiht, lebendig zu sein. Das ist Schwachsinn, Sir. Man muss es gut machen, schnell sein und sicher nach Hause kommen.
    Mr Untermyer streicht seinen Schnurrbart glatt. Ich dachte mir schon, dass Sie das sagen.
    Darf ich Sie etwas fragen, Sir?
    Natürlich.
    Wie ist es, einen Rockefeller zu bezwingen?
    Mr Untermyer lächelt. Es verleiht einem das einzigartige Gefühl, lebendig zu sein, sagt er und geht davon.
     
    Sutton wirft einen letzten Blick auf das frühere Zuhause von Funck and Sons. Gut, sagt er. Verschwinden wir. Nächster Halt: die Zentrale der Public Library.
    Knipser schüttelt den Kopf. Also wirklich, Willie, es gibt nichts, was visuell verzichtbarer ist als die verdammte Bibliothek.
    Visuell verzichtbar.
    Ja, lieber würde ich Sie im Gespräch mit noch ein paar Geistern von Prostituierten fotografieren. Ich meine, ein Bankräuber vor einer Bibliothek? Ich finde, das bringt nichts. Und mein Chef findet das sicherlich auch – es sei denn, Sie haben die Bibliothek damals in den zwanziger Jahren überfallen.
    Hätte ich bestimmt, wenn sie die Bücher so weggesperrt hätten wie das Geld.
    Und weil wir schon dabei sind, mir ist auch nicht klar, warum wir jetzt hier sind.
    Ich wollte euch von Mr Untermyer erzählen, dem Besitzer von Greystone. Er war ein amerikanischer Cicero.
    Und am Yankee Stadium konnten Sie uns das nicht erzählen?
    Ich hätte mich nicht an alles erinnert, wenn ich das Gebäude nicht gesehen hätte. Ich hätte mich nicht daran erinnert, dass Mr Untermyer J. P. Morgan umgebracht hat. Ich glaube, insgeheim hätte er Rockefeller auch gern abgemurkst.
    Knipser schielt zu Schreiber. Schreiber zuckt die Schultern. Sie steigen wieder ins Auto.
    Sutton tippt Knipser an. Du hättest Mr Untermyer gemocht. Er hat deine Sprache gesprochen. Mann, hat der Banken gehasst. Einmal meinte er, dass die Gründerväter mehr Bammel vor den Banken hatten als vor den Briten. Sie wussten, dass die Banken über Jahrhunderte hinweg Chaos verursacht und Weltreiche in die Knie gezwungen hatten, alles im Namen des freien Unternehmertums.
    Knipser kichert. Willie, sind Sie etwa Kommunist?
    Oh, ich bitte dich, Kleiner. Als sie Al Capone das mal fragten, ist er durchgedreht und hätte fast jemandem den Schädel eingeschlagen. Ich kann nachempfinden, wie ihm zumute war. Ein Roter? Ich hab keine Lust, neunzig Prozent meiner Beute der Regierung zu geben. Ich bin ein Anhänger des freien schlanken Staats. Ich bin ein Anhänger des freien Unternehmertums. Aber wenn ein paar gierige Arschlöcher die Regeln nach ihrem Belieben aufstellen, ist das kein freies Unternehmertum. Das ist Gaunerei.
    Sie klingen mindestens wie ein Sozialist.
    Und wo stehst du politisch, Kleiner?
    Ich bin Revolutionär, sagt Knipser.
    Sutton lacht. Natürlich. Auch eine Gaunerei. Wusstet ihr, dass der alte Morgan von seiner Nase besessen war? Sie war mit Geschwüren, Pockennarben und Adern übersät – der Fluch seiner Existenz. Er hasste es, wenn man ihn fotografierte. Wenn er dich mit deiner Kamera gesehen hätte, wäre er davongelaufen wie eine kleine Memme. Vor einer Kamera hatte er mehr Angst als vorm Kommunismus.
    Knipser lacht, fädelt in den Verkehr ein. J. P. Morgan rennt vor mir weg. Das würde ich wirklich gern sehen.
    Sie fahren in Richtung Downtown. Knipser stellt Sutton im Rückspiegel ein.
    Hey Willie – Sie haben gesagt, Untermyer hätte Banken gehasst. Aber von Ihnen hab ich das noch nicht gehört.
    Nein?
    Sutton schaut aus dem Fenster zum Himmel. Sieh mal, sagt er. Der Mond geht auf.

Dreizehn
    Willie im Lesesaal, den Kopf unter einer Messinglampe. Juli 1929 . Er überfliegt die Schlagzeilen im
Brooklyn Daily Eagle
.
    COOLIDGE RESÜMIERT ERRUNGENSCHAFTEN
    EHEMALIGER SKLAVE STIRBT MIT 109
    BESSIE ENDNER

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