Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)
fokussiert zu sein.
Untersuchungen haben gezeigt, dass Einsame überfokussieren. 13 In einer Studie haben Forscher ihre Probanden, die sich selbst als einsam einordneten, gebeten, auf einen Rekorder zu sprechen. Sie hatten kein besonders Thema und sollten sich einfach nur beschreiben und interessant machen. Alles, was sie wussten, war, dass jemand anderes ihre Aufzeichnungen später hören und einstufen würde. Es war vorauszusehen, dass die Juroren von den Aufzeichnungen der Einsamen nicht beeindruckt waren. Sie stuften sie als signifikant weniger interessant ein als die der Nicht-Einsamen. Das ist kaum überraschend. Man könnte sagen, das sei ja gerade der Grund, dass sie einsam sind.
Eine andere Version des Experiments zeigt, dass diese Interpretation etwas Wichtiges übersieht. Nun sprachen die Einsamen mit einem gewichtigen Unterschied auf den Rekorder: Sie nahmen diesmal nicht an, dass ihnen jemand zuhören und sie einstufen würde. Sie redeten und waren ganz sie selbst. Diese Aufzeichnungen stuften die Juroren als ebenso interessant ein wie die der Nicht-Einsamen. Das Problem der Einsamen war nicht, dass sie Langweiler waren oder auf andere Weise unattraktiv erschienen. Das Problem war, dass sie sich ungeschickt verhielten, wenn sie meinten, dass es darauf ankommt. Es war auch nicht der Mangel an Wissen. Erinnern Sie sich an die Untersuchung in der Einleitung: Die Einsamen konnten die Emotionen anderer besser entschlüsseln − aufgrund ihrer Fokus-Dividende. Sind aber die Hürden hoch, nutzen sie diese Fähigkeiten schlecht. Man könnte sagen, dass den Einsamen im weitesten Sinne die Kehle zugeschnürt ist. Denken Sie an Situationen zurück, in denen es Ihnen die Sprache verschlagen hat oder Sie ganz besonders unfähig waren. Wenn es Ihnen wie uns geht, erinnern Sie sich sicher an jene sozialen Situationen, die Sie gerade deshalb verpfuscht haben, weil Sie sie besonders gut meistern wollten.
Natürlich sind solche Blockaden keine Domäne der Einsamen. Nirgendwo ist das deutlicher zu sehen als beim Sport. Beim Basketball ist der Freiwurf eines der leichtesten Dinge. Man steht nicht weit vom Korb und kann ganz nach eigenem Plan werfen. Niemand bewacht den Werfer, und der Begriff »Freiwurf« sagt schon, wie leicht der Wurf ist. Der Weltrekord wurde einmal von einem 72 Jahre alten Mann gehalten, der nacheinander 2 750 Freiwürfe ins Netz versenkte. 14 Über 90 Prozent Erfolg sollte für jemanden mit genug Praxis kein Problem sein. Und doch ist es für einige Spieler ungewöhnlich schwierig. In der Saison 2002/2003 verkörperte der Profi-Basketballer Bruce Bowen das Problem. Er hatte in diesem Jahr nur bei 40 Prozent der Freiwürfe Erfolg. 15 Bowens Problem waren nicht die fehlenden Fähigkeiten, er hatte bei viel schwereren Würfen guten Erfolg. In der gleichen Saison führte er in der Liga bei den Würfen von jenseits der Dreipunktelinie: Er verwandelte 44 Prozent von ihnen. Diese Würfe werden aus weit größerer Entfernung ausgeführt und aus einem unmöglichen Winkel. Der Ball muss schnell geworfen werden, und oft hat man einen anderen Spieler vor sich oder einer eilt herbei. Aber in dieser Saison war Bowen bei diesen Würfen besser als bei den Freiwürfen.
Jeder Sportfan kennt endlos viele Geschichten von Spielern, dieblockiert waren. Der Basketballspieler, dem es nicht gelingt, einen einfachen Freiwurf zu versenken, obwohl das den Sieg bedeutet hätte. Der Golfspieler, dessen ganz einfacher Schlag mit dem Putter danebengeht, obwohl er zu diesem Zeitpunkt am wichtigsten war. Ganz gleich, wie herausragend das Spiel einzuordnen ist: Es gibt in diesen Momenten immer eine nervöse Unruhe. Das Drama ist genau deshalb groß, weil wir fürchten (oder vielleicht vorwegnehmen), dass wir blockiert sind.
Die Forschung versteht heute die Psychologie von Blockaden besser. Im Sport gibt es viele Aktionen, die bewusst oder automatisch ausgeführt werden können. Sie können darüber nachdenken, wie Sie Ihren Arm bei einem Freiwurf bewegen. Sie können über das Ende eines Schlags mit dem Golfschläger nachdenken. Oder Sie können beides automatisch machen und dabei an gar nichts denken. Für Profisportler sind diese Aktivitäten so sehr Routine, dass sie bemerkenswert gut sind, wenn alles automatisch abläuft. Tatsächlich sind sie dann sogar besser . 16 (Wenn Sie das nächste Mal die Treppe hinunterrennen, denken Sie einen Moment an Ihre Füße. Aber machen Sie uns bitte nicht verantwortlich, wenn Sie beinahe
Weitere Kostenlose Bücher