Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)

aus dem Tunnel − in diesem Fall Ihren Impuls, das Gewicht unter Kontrolle zu halten.
    Weiß man das, stellt sich die Frage, warum man nicht das Gleiche mit den Ersparnissen tun soll. Wir haben das in einem Projekt mit einem Finanzprodukt versucht, das wir »Impulssparen« nannten. 2 Wie die Schokoriegel wurden sogenannte »Impulssparkarten« an prominenten Stellen aufgehängt, so auch ganz nah an der Kasse. Auf ihnen waren Bilder mit verlockenden Sparzielen dargestellt: ein College, eine Wohnung, ein Auto. Das sollte wie die Schokoriegel ein Bedürfnis wecken. Nur sparten die Leute, wenn sie die Karten »kauften«, wirklich: Der Dollar, den sie zahlten, wanderte auf ihr Sparkonto.
    Die Karten bekämpften nicht nur den Tunnelblick, indem sie latente Ziele nach vorn rückten. Sie boten auch einen bequemen Weg an, auf das Ziel zu reagieren, bevor es verblasste, und forderten: »Kauf diese Karte!« In einem kleinen Pilotprogramm mit dem IFMR-Trust (Institute for Financial Management and Research), einem großen Finanzdienstleister für die Armen, fanden wir eine überraschend große Zahl von Interessenten, die gern auf diese Weisesparen wollten. Setze etwas an die Spitze des Denkens, das sonst übersehen würde! Ein Foto der Familie, das bei einem Überbeschäftigten zufällig auf dem Desktop auftaucht, kann diese Funktion erfüllen, wenn es (ver)störend genug ist, um die Aufmerksamkeit zu gewinnen, und nicht nur Hintergrundbild bleibt.
    Erinnerungsschreiben können wirkungsvoll sein, werden aber oft unterschätzt, vielleicht, weil ihre Anwendung so auf der Hand liegt. 2008 versuchte die Kfz-Zulassungsstelle von Massachusetts, ihre Kosten zu reduzieren. 3 Erinnerungsschreiben zu verschicken, um an die auslaufende Zulassung zu erinnern, war teuer. Also versuchte man, diese Kosten loszuwerden. Einerseits ergab das total Sinn, aber im Licht unserer Analyse sieht man, warum es vielleicht dumm war. Die Zulassungen verfallen zu zufälligen Zeiten, die nur davon abhängig sind, wann das Auto zum letzten Mal zugelassen wurde. Ohne daran erinnert zu werden, kann man sich das Datum nur schwer merken. Für die Ärmsten und am meisten Gehetzten waren diese Erinnerungen das Einzige, was verhinderte, dass die Zulassung ablief und sie einen Strafzettel bekamen. In Wirklichkeit erließ der Staat mit diesem simplen Politikwechsel (ungewollt?) eine Strafsteuer.
    Erinnerungen sind auf trügerische Weise simpel, werden aber oft übersehen. Die Politik kann Millionen von Dollar ausgeben, um eine Bereitschaft zum Sparen zu erzeugen, versagt aber dabei, die Leute an ihr Sparprogramm zu erinnern. Wir können erhebliche Summen für unser Fitness-Training ausgeben, sollten aber auch überlegen, was wir tun können, damit das Training innerhalb unseres Tunnels bleibt.
vernachlässigen und vergessen
    Letztes Jahr kümmerten wir uns nicht um unsere Ersparnisse. Tatsächlich ist es eine Zeit lang her, dass jemand von uns daran gedacht hat. Was verursacht ein solch waghalsiges Vorgehen? (Einer von uns hat sogar Kinder!) Gut, es ist eigentlich nicht allzu waghalsig. Unsere Ersparnisse − von den Ersparnissen für den Ruhestand bis zuden Schulgeldern für die Kinder − sind auf ganz bequeme Weise angewachsen. Wie gelang es uns zu sparen, ohne uns aktiv mit dem Sparen zu befassen? Auf die gleiche Weise wie den meisten Leuten. Jeder von uns schloss vor langer Zeit einen Sparplan ab, nach dem automatisch 10 Prozent von unserem Gehalt abgezweigt wurden. Unsere Sparkonten zeigten, dass wir eine Menge Geld angesammelt hatten, obwohl wir uns im Alltag nicht darum kümmerten. Wir gaben unser Gehalt aus, ohne über das Sparen nachzudenken. Eine automatische Vereinbarung erlaubte uns, zu sparen und es zu vergessen.
    Dieses Beispiel beleuchtet eine tiefe Einsicht: Vergessen oder vernachlässigen wir etwas, ist es oft effektiver, uns mit den Folgen zu befassen, als unsere Vergesslichkeit zu bekämpfen. Ein Beispiel mit den Ersparnissen für den Ruhestand soll das untermalen. Wenn jemand in den USA einen neuen Job antritt, muss er ein Formular ausfüllen, das seine Teilnahme am sogenannten 401(k)-Plan bestätigt. Wird dieses Formular nicht ausgefüllt, wird der Angestellte nicht registriert, was zu einem Desaster im Alter führen kann. Wenn man aber gerade neu eingestellt wird, verfällt man oft dem Tunnelblick wegen des Durcheinanders und der Ängste, die das mit sich bringt. Die Folge ist, dass das Formular oft vergessen wird. In einer aufschlussreichen