Knappheit: Was es mit uns macht, wenn wir zu wenig haben (German Edition)
Lebensqualität, aber die zugrunde liegenden Muster von Armut änderten sich nicht. 12
Auch international sind die Resultate gleich. Die Mikrofinanzierung mit ihren Kleinkrediten, um ein Geschäft zu eröffnen, wurde als stark verändernd angepriesen. Während der Einfluss der Mikrofinanzierung vermutlich positiv ist, unterstreichen nun einige Untersuchungen, dass es unwahrscheinlich ist, auf diese Weise die Grundlogik der Armut ändern zu können. 13 Ernährungsprogramme zeigen Einfluss auf das kindliche Lernen. Erziehung bringt einenrobusten, wenn auch ganz begrenzten Gewinn. Über Jahre haben Nichtregierungsorganisationen versucht, eine Vielzahl umfassender Pakete zu bündeln, um die Bedürfnisse der Armen zu erfüllen. Natürlich leisten sie gute Arbeit. Aber auch sie haben nur begrenzt Erfolge gebracht.
Das ist gewiss nicht als Kritik an laufenden Programmen gedacht. Armut ist ein schwieriges Problem. Selbst mäßige Erfolge können eine wertvolle soziale Investition darstellen. Wir bieten jedoch einen Vorschlag, wie wir es besser machen könnten. Wenn wir mit Programmen zu tun haben, die nur begrenzten Erfolg haben, könnte es möglicherweise sein, dass sie etwas bieten, das die Leute gar nicht wollen oder für nicht wichtig halten. Aber vielleicht liegt das Problem nicht in dem, was die Programme zu bieten versuchen, sondern in dem, was sie wirklich bieten. Wie die Bombercockpits im Zweiten Weltkrieg könnten diese Programme größeren Erfolg haben, wenn ihr Design besser wäre. Und ein besseres Design müsste fundamentale Erkenntnisse wie das Fokussieren und die Bandbreite mit einbeziehen, die aus der Psychologie der Knappheit erwachsen.
kapitel 10
knappheit im alltagsleben
Ärzte und der Monteur für den Kabelanschluss haben eines gemeinsam: Ein Termin um drei Uhr klappt selten um drei. Einen Terminplan einhalten kann hart sein. Ein kleiner Ausrutscher, vielleicht eine Verzögerung oder etwas, das unerwartet lange gedauert hat, und der Zeitdruck wächst immer mehr an, wenn es keine Reserven gibt, um die Störung zu absorbieren. Was zuerst wie eine leicht zu handhabende Enge bei den Terminen aussah, entwickelt einen wahren Dominoeffekt: Die Verspätung wird von Termin zu Termin größer. Bei jedem Termin herrscht Eile. Sie haben die Scheuklappen auf, um den aktuellen Termin abzuarbeiten. Es ist voraussehbar, dass Sie Zeit von den noch bevorstehenden Terminen »borgen« müssen. Es bildet sich eine Falle aus Zeitschulden. Der enge Terminplan bringt Sie an den Rand des Abgrunds, wo alles kippt und Sie bei jedem Treffen zu spät kommen. Und an den meisten Tagen ist dieser Punkt schon früh erreicht. (Warum sich Ihre Kunden das gefallen lassen, ist eine weitere Frage.)
Einer unserer Kollegen, der Präsident einer Stiftung, ist enge Terminkalender durchaus gewöhnt. Er hat geradezu ein Vergnügen daran, den ganzen Tag mit einem Treffen nach dem anderen zu verbringen. Er könnte sich so leicht wie der Arzt oder der Kabelmonteur bei jedem Termin etwas mehr verspäten als beim vorhergehenden. Da aber die Leute zu ihm kommen und nach Geld fragen, müssten sie damit klarkommen! Aber er kommt gar nicht zu spät. Etwa fünf Minuten, bevor ein Treffen zu Ende gehen soll, schaut sein Assistent auf und verkündet: »Noch fünf Minuten.« Und am Ende des Treffens schaut sein Assistent noch einmal auf. Diese ziemlich offenkundige Intervention, die von vielen Managern verwendet wird, die das Glück haben, über einen geübten und engagierten Assistenten verfügen zu können, verhindert den Dominoeffekt und die Knappheitsfalle.
Der Assistent, der »anklopft«, ist keine besonders neue Idee, aber sie illustriert etwas Grundlegendes: Schon kleine Änderungen der Umstände können die Folgen von Knappheit zum Verschwinden bringen. Die Psychologie der Knappheit ist einfach, und sie »von innen heraus« zu ändern kann schwer sein. Aber man muss die Psychologie nicht ändern, um den richtigen Ausweg zu finden. Der Präsident der Stiftung steckte im Tunnel. Sein Trick ist, die äußeren Umstände zu ändern, um so der Psychologie entgegenzuwirken. Und das geschieht überhaupt nicht drastisch, denn der Assistent erschafft ja keine zusätzlichen Reserven. Die Treffen folgen weiterhin Schlag auf Schlag, und der Präsident steckt weiterhin während der Treffen im Tunnel. Alles, was der Assistent macht, ist, im Wege zu stehen und dafür zu sorgen, dass die Psychologie der Knappheit keinen Schaden anrichtet. Man kann sich das wie
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