Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
den Keller des Nachtclubs verlassen hatte – angeblich zum Rauchen. Karpi bestätigte, dass sein Assistent mit Gregors Dienstwaffe Selbstmord begangen hatte, aber der Bericht der Rechtsmedizin konnte den Tathergang nicht zweifelsfrei belegen. Der Widerling hatte sich die Waffe in den Mund gesteckt und den Kopf nach hinten gelegt. Hätte Gregor ihm das Ding zwischen die Zähne gerammt, wäre der Winkel ähnlich gewesen. Dass Gregor Schmauchspuren an den Händen hatte, weil er vom Schießtraining kam, und der Olm wegen der Krätze, an der er litt, ständig Handschuhe trug, war ein weiteres Problem bei der Beweisführung. So ergaben also die Indizien kein zweifelsfrei klares Bild und die Kripo musste sich daher auf zwei Aussagen verlassen, die zwar gleich lauteten, von denen aber eine vom Betroffenen selbst und die andere von einem Nachtclubbesitzer mitzweifelhaftem Ruf stammten. Abgesehen davon konnte auch nie zweifelsfrei bewiesen werden, dass der Kerl, der den Gruß aus Gregors Waffe verschluckt hatte, auch der Mörder der jungen Frau gewesen war.
Kein Wunder, dass es Leute gab, die hinter vorgehaltener Hand weiter über Gregors Selbstjustiz tuschelten.
Diese Leute gab es immer.
Irgendwann verstummten sie.
Es sei denn, es passierte so etwas wie jetzt die Sache mit Gregors Ex.
ACHT
Während Martin und Birgit sich fertig machten, um die Wohnung zu verlassen, was bei Birgit unter anderem das Zusammenpacken größerer Mengen Lebensmittel beinhaltete, düste ich zurück zur Soko Sahne.
Ich war nicht lang weg gewesen, um Martin zu informieren, daher traf ich die Soko bei meiner Rückkehr immer noch in ihrer Besprechung an. Stein hatte offenbar die Geschichte von Gregor, Karpi, dem schleimigen Olm und der Tochter von Gregors Cousine gerade genüsslich ausgebreitet, denn Lili Leuchtfee sagte: »Wenn die Sache damals geklärt worden ist, wo liegt dann das Problem?«
Stein sprach das aus, was so oft hinter vorgehaltener Hand gezischelt worden war: »Was, wenn Karpi gelogen hat?«
Einen Moment war es still.
»Gibt es Gründe für ihn, das zu tun?«, fragte das Leuchtköpfchen. »Kreidler ist immerhin bei der Mordkommission, nicht bei Drogen, Betrug oder Geldwäsche tätig. Was sollte Kreidler diesem Karpi also als Gegenleistung dafür angeboten haben, dass er in dieser Sache für ihn lügt?«
Sie sah zwar scheiße aus, hatte aber offenbar unter dem bunten Mop ein funktionierendes Hirn sitzen. Im Gegensatzzu den Zellhaufen von Keller und Stein, deren Mentalnavi immer nur eine Richtung kannte, nämlich Gregor als Mörder darzustellen, egal wie.
»Das werden wir herausfinden«, sagte Stein. »Und zwar schnellstmöglich.«
Er wusste es zwar noch nicht, aber dieses Rennen würde er verlieren.
Das Karpi Diem befand sich in einem Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Eine ganze Menge dieser Betonklötze standen noch störend im Stadtgebiet herum, bis jemand mal auf die Idee kam, die Dinger nicht abzureißen, sondern anderweitig zu nutzen. Es gab Bunker, die zu Wohnhäusern umgebaut worden waren, andere beherbergten Archive oder Probenräume für Musiker. Manche waren hässlicher als andere, aber einen Schönheitswettbewerb würde keiner der Kotzbrocken gewinnen. Auch Karpis nicht.
Karpis Bunker lag halb unter und halb über der Erde und befand sich in einer überraschend guten Lage. Hier musste man keine Angst haben, auf dem Weg zum Samstagabendvergnügen überfallen, ausgeraubt und gelyncht zu werden. Auch deshalb bot der Zappelbunker samstags und sonntags nachmittags Teeniedisko an. Auch in jahrelangen verdeckten Ermittlungen hatten die Sittenwächter es nicht geschafft, Karpi einen Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz nachzuweisen. Inzwischen wusste ganz Köln, dass in der Kindertanzstätte tatsächlich kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Damit konkurrierte Karpis Kita mit vergleichbar weichgespülten Angeboten der städtischen Jugendzentren oder Pfarrgemeinden. Doch bei Onkel Karpi war es natürlich bedeutend cooler. Da stimmte das Ambiente, und Karpi ließ es sich nicht nehmen, auch zur Pampersdisko die kleinen Scheißer an der Tür von seinencoolen Rausschmeißern abchecken zu lassen. Karpis Ruf als geheimnisvoller Gangster war die Kirsche auf der Sahnetorte. Sein Laden war immer voll.
Dienstagabends um acht allerdings war Karpis Bunker dunkel und leer. An der Stahltür, auf die ein Scherzkeks die Silhouette eines Mannes gemalt und dann auf die Herzgegend geballert hatte, gab es keine Klingel. Martin und Birgit
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