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Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Titel: Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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standen vor der Schießfigur und glotzten dumm. Martin klopfte. Das Geräusch, das seine zarten Griffelknochen auf dem massiven Stahl machten, war schon in fünf Zentimeter Entfernung nicht mehr zu hören. Birgit schob ihn energisch zur Seite und hämmerte mit der Faust dagegen. Schon besser, aber die Reaktion war weiterhin gleich null.
    Ich drehte eine Runde im dunklen Club. Die Zappelarena, die Bar und die Lounge waren leer, nur im Vorratsraum war Bewegung. Einige unrasierte, in schwarze Lederjacken und Jeans gekleidete Typen mit Gold am Hals und im Mund stapelten Kisten in eine Ecke, die sie aus einem LKW entluden. Die Beschriftung auf der LKW-Plane und den Kisten war kyrillisch. Die Jungs hatten ihren Job offenbar gerade erledigt, denn sie blickten sich noch einmal im Vorratsraum um, zählten die Kisten nach, die sie gerade gestapelt hatten, nickten sich zu und verpissten sich. Die Feinstaubwolke, die die Karre ausstieß, als sie angelassen wurde, würde am nächsten Tag für fragende Gesichter im Bundesumweltamt sorgen.
    Ich beendete meinen Rundflug im Erdgeschoss und sauste runter in den Keller. Karpis Büro lag am Ende eines langen, nur von Notlicht erhellten Ganges. Dort fand ich ihn. Der Chef hatte seinen Ledersessel nach hinten gekippt und pennte. Aus seinem offenen Mund drang ein Gestank, der mich in Schlingerbewegungen versetzte. Mist. Karpi war seit Tagen tot und schimmelte hiervor sich hin. Ich wollte schon wieder abdrehen, als mich durch die Übelkeit hindurch eine weitere Sinneswahrnehmung erreichte: Die Füße auf dem Schreibtisch zuckten gelegentlich, und bei genauem Hinsehen konnte ich erkennen, dass seine Brust sich hob und senkte. Wenn er tot war, dann gärte es derartig in seinen Eingeweiden, dass das gelegentliche Entweichen der Faulgase den Eindruck von Atemtätigkeit erweckte. Aber was brachte die Füße zum Zucken?
    Ich entschied, dass der Typ vermutlich doch noch lebte, und schaute mich im Büro um. Auf dem Schreibtisch standen drei Festnetztelefone. Aha, der fette Karpfen hatte auch kapiert, dass die gute alte Telefonleitung mehr Privatsphäre garantierte als ein unverschlüsseltes Funksignal. Allerdings half mir das nicht weiter, denn die Nummern, unter denen diese Telefone erreichbar waren, standen leider nicht darauf.
    Auf dem Schreibtisch lagen Zettel mit Telefonnummern herum, Lieferscheine über Getränke, ein Schreiben vom Finanzamt über Grundbesitzabgaben, ein Rezept für irgendwelche Pillen, deren Namen mir nichts sagte, und eine Visitenkarte von Susanne Hauschild. Genau so eine, wie sie sie Gregor in die Hand gedrückt hatte. Das half mir leider auch nicht wirklich weiter.
    Ich wollte bereits aufgeben, als ich das fand, was ich gesucht hatte. Unter dem Tischbein. Eine zusammengefaltete Karte von Karpi. Auch zwielichtige Gestalten haben Visitenkarten. Allerdings stand auf seiner nur KARPI und eine Telefonnummer. Ich konnte dummerweise nur vier Ziffern erkennen. Keine Ahnung, wie viele Ziffern die ganze Nummer hatte, aber vier Ziffern waren immerhin ein Anfang.
    Ich beeilte mich, zurück zu Martin und Birgit zu kommen, die wie Maria und Josef am Heiligen Abend aussahen.Ein Mann und eine platzschwangere Frau Hand in Hand vor einer verschlossenen Tür. Nur ohne Esel.
    »Ruf ihn an, dann wacht er bestimmt auf«, rief ich. »Die Nummer ist zwei, drei, fünf, sieben. Festnetz, Köln.«
    »Nur vier Ziffern?«
    Er tippte sie in sein Handy. Kein Anschluss unter dieser Nummer.
    »Die anderen Ziffern konnte ich nicht sehen …«, sagte ich.
    Martin kratzte sich am Kopf.
    Birgit linste auf das Display. »Es müssen mindestens sechs Ziffern sein, oder?«
    Martin nickte.
    »Zweimal die Eins«, sagte Birgit.
    Martin wählte. Kein Anschluss unter dieser Nummer.
    »Okay, dann noch die dreizehn«, sagte Birgit mit Überzeugung.
    Martin zuckte zusammen. »Bitte?«
    Birgit grinste. »Schau dir doch mal die Zahlenfolge an. Alles Primzahlen. Zwei, drei, fünf, sieben, elf, dreizehn, siebzehn, neunzehn …«
    Martin versuchte es damit. Der Ruf ging durch. Ich düste zurück in Karpis Höhle. Das Telefon links außen klingelte. Wahnsinn.
    Karpi gurgelte, röchelte, hustete, schnaubte und grunzte, aber er rührte sich nicht. Das Klingeln verstummte.
    Ich düste zu Martin. »Es war seine Nummer, aber er liegt im Koma. Probier es weiter.«
    Jetzt regte Karpi sich, die Füße zuckten wieder, dann die Beine, dann ein Arm. Er öffnete ein Auge einen Millimeter, dann auch das andere. Es dauerte geschlagene

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