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Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)

Titel: Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Profijt
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Löffeln auf die Teller trommeln würden, aber an jedem Tisch sitzt mindestens eine Spaßbremse, die mit laserwaffenscharfem Blick die anderen in Schach hält. Schade. Ich würde mich abrollen, wenn hier mal Randale wie im Schullandheim wäre.
    Ich war schon vor dem Frühstück da und beobachtete die Vorbereitungen. Die Bewohner der oberen Etagen und des Westflügels waren alle noch mehr oder weniger selbstständig unterwegs. Einige hatten Hilfe beim Anziehen nötig, aber das war schon erledigt, als ich eintrudelte. Die Karawane an schlurfenden, rollenden, schleichenden und staksenden Gruftis erinnerte mich ein bisschen an diese Zombiefilme, in denen Mumien zum Leben erwachen und als Gruselarmee über die Leinwand schluffen. Hier schlufften sie in den Speisesaal, um Haferbrei, weichen Eiern und krustenlosem Weißbrot zu einem rasanten Rutsch durch die Darmröhren zu verhelfen.
    In entgegengesetzter Richtung waren die Weißkittelwichtel unterwegs, die den Bettwärmern, die nicht mehr aus der Falle kamen, ihr Frühstück brachten. Mal in Form von Suppen, Brei oder Weißbrotwürfeln, die aussahen, als wären sie vorgekaut, mal in Form von Infusionsbeuteln.
    In der Giftküche war der Hausapotheker Krämpel damit beschäftigt, Pillendöschen zu befüllen. Er arbeitete DIN-A4-Blätter ab, auf denen jeweils oben der Name des Dinosauriers stand und dann Angaben darüber folgten, wer wann welche und wie viele Pillen zu nehmen hatte.Wofür diese ganzen Pillen, Tropfen und Arschbomben sein sollten, war mir nicht klar, denn mit den Handelsbezeichnungen legaler Drogen kannte ich mich nicht aus. Nur bei den Pillen, die in der Tageszeitentabelle bei zweiundzwanzig Uhr standen, vermutete ich einfach mal, dass es Schlaftabletten sein könnten.
    Eine von den Weißgekleideten kam, nahm den Rollwagen mit den fertigen Pillendosen in Empfang und verteilte die Chemiebomben im Haus. Wäre doch lustig, die Dosen mal zu vertauschen. Oder mindestens die Tageszeiten durcheinanderzubringen. Dann würden beim Frühstück etliche graue Lockenköpfchen vor Müdigkeit in die Müslischale platschen und nachts wäre Party auf den Fluren. Aber leider sah die Tussi, die die Pillendosen verteilte, nicht so aus, als hätte sie Humor. Verbissen und mit hängenden Mundwinkeln spielte sie die Hauspost für Arzneimitteljunkies, knallte jedem Rest-Ager seine Ration Chemieglück auf den Nachttisch und zog weiter. Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel, es war noch nicht einmal neun Uhr, und ich war schon so depri drauf, dass ich am liebsten selbst eine Überdosis Schlafpillen gefressen hätte. Zu meinem Glück war das unmöglich.
    Wenn schon kein seliges Koma, brauchte ich wenigstens eine kurze Pause und flog in den Park. Ich machte eine Zeit lang Wettrennen gegen die Eichhörnchen, versuchte, die Enten zu ärgern, die sich in dem brackigen Tümpel in der Mitte der Rasenfläche niedergelassen hatten, und flog durch Mückenschwärme, ohne gestochen zu werden. So langsam kam meine Stimmung aus dem Keller wieder an die Oberfläche und ich gondelte zurück in die Seniorensammelstelle, wo unerwartete Hektik herrschte.
    Eine Girlande mit dem Schriftzug »Herzlich Willkommen« war in der Eingangshalle aufgehängt worden. DieBuchstaben sahen aus, als hätte die Handarbeitsgruppe der Kriegsblinden sie gebastelt. Umkränzt waren die Worte mit ebenfalls selbst gebastelten Schmetterlingen, deren Flügel aus Draht gebogen und mit Nylonstrümpfen überzogen waren. Es gab also Schmetterlinge in rüstigem Beige und schweinischem Rosa und die ganz exotischen Falter waren gemischtfarbig.
    Die Eingangshalle füllte sich nach und nach mit mehr und vor allem weniger rüstigen Senioren, die mit den unterschiedlichsten Fortbewegungshilfen heranschlurften. Vom Parkplatz schlenderten Ortsfremde herein, die mit Notizblöcken und Stiften, Fotoapparaten oder umgehängten Mikrofonen eindeutig als Vertreter der Medien zu erkennen waren. Sie nahmen direkten Kurs auf die Ausgabetheke der Cafeteria, wo sie mit Kaffee versorgt wurden.
    Fleißige Hände trugen einen Mikrofonständer herbei, und ein zotteliger Typ, den ich mir eigentlich eher an einer Steeldrum als mit einer Bettpfanne unterm Arm vorstellen konnte, steckte Stecker in Lautsprecher, die auf Stangen mit Dreifuß standen. Einen ordentlichen Bass würden diese Dinger nicht rüberbringen, das war klar.
    Um Punkt zehn Uhr fuhr eine Stuttgarter Nobelschleuder mit Kölner Nummernschild vor, parkte pedantisch ein und entließ einen

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