Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Hauschild zuletzt gearbeitet hat. Oder sie hat Ihnen gegenüber mal erwähnt, dass sie Ärger mit jemandem hatte …«
In dem Maße, in dem Martin kleiner geworden war, hatte der Grieche sich über die Theke gebeugt, so dass der Abstand zwischen ihren Köpfen gleich geblieben war. Als Ioannis sich jetzt wieder zurückzog, richtete Martin sich entsprechend wieder auf. Mir war diese teleskopartige Flexibilität von Martins Wirbelsäule schon mehrfach aufgefallen, daher wunderte ich mich nicht, aber der Grieche war offensichtlich irritiert.
»Die Bullen haben mich das auch schon gefragt«, knurrte er endlich.
»Und? Konnten Sie denen eine Antwort geben?«
»Ich wusste nur, dass sie tagelang versucht hat, diesen Typen von dem Nachtclub zu erreichen.«
»Karpi«, sagte Martin.
Der haarige Teil des Griechen bewegte sich leicht, was ich als Nicken deutete.
»Und dann war sie bei ihm.«
»Und?«
Jetzt kam Bewegung in das blankgewetzte Leder der Weste. Ein Schulterzucken?
»Sie wollte mir nicht sagen, ob sie was von ihm erfahren hat.«
Martin sackte zusammen, dieses Mal allerdings aus Enttäuschung.
»Und das ist alles?«
Der Grieche kratzte sich am Bart, aus dem einige Krümel auf die Theke fielen, die er in Gedanken versunken betrachtete und dann mit einer einzigen Bewegung seiner riesigen Pranke wegwischte.
»Gestern ist mir noch was eingefallen.«
Martin streckte das Rückgrat durch und sah aus wie ein Streber, der in der ersten Reihe sitzt und endlich erfahren will, wer die einzige Eins in der Klassenarbeit geschrieben hat.
»Sie hat versucht, alte Pläne von dem Bunker zu finden.«
»Häh?«, fragte ich.
»Warum?«, murmelte Martin, schon wieder einige Zentimeter kleiner.
»Keine Ahnung.«
»Hat sie die Pläne denn gefunden?«, fragte Martin.
Ioannis zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, Mann.«
»Haben Sie diese Information der Kripo gegeben?«
Der Grieche ließ ein Geräusch hören, das ich nach einigem Überlegen als Lachen interpretierte. »Meinst du, ich rufe die Bullen an, weil Susanne sich für einen alten Nazibunker interessiert hat? Vielleicht ist im Nachtclub dieses fetten Russen das Bernsteinzimmer versteckt?«
Martin schüttelte den Kopf.
»Außerdem haben die ihren Schuldigen doch schon, was soll ich mich da noch einmischen.«
Martin holte Luft, um Gregors Unschuld zu beteuern, aber ich zischte »Klappe halten«. Es gibt einfach Gelegenheiten, bei denen Klugscheißerei eine gerade beginnende Freundschaft wie die zwischen Martin und dem Griechen unwiederbringlich zerstört.
»Das Bier geht aufs Haus«, brummte Ioannis, drehte sich um und stampfte zu dem Tisch, von dem vorhin die Bestellung gekommen war.
Martin, der kaum an seinem Kölsch genippt hatte, wollte aufstehen und gehen, aber ich erklärte ihm, dass man ein geschenktes Bier nicht stehen lässt, also kippte er sich dasZeug mit Todesverachtung hinters Zäpfchen, machte sein Bäuerchen und verließ die Werkstatt . Ich blieb bei ihm, bis er sicher in seiner Ente saß, denn er ist ein so offensichtliches Opfer, dass ich jedesmal, wenn er im Dunkeln auf die Straße ging, damit rechnete, dass er eins auf die Zwölf bekam. Passierte allerdings nie. Wahrscheinlich war es selbst den bösen Jungs zu peinlich, so einen Viertelpfünder aufzumischen.
Warum hatte Sahne Pläne des Zappelbunkers von Karpi gesucht? Warum war sie bei ihm gewesen? Vielleicht konnte mir ein Blick hinter die Kulissen einen Hinweis geben.
Ich düste also wieder einmal zum Nachtclub, schaukelte eine Weile zwischen wippenden Hupen und zuckenden Bauchnabeln herum und surfte auf dieser Welle bis zu der Tür, die den öffentlichen Bereich von den Hinterräumen trennte. Wieder war Bewegung im Vorratsraum, wieder wurden Kartons und Kisten angeliefert, andere abgeholt. Manche waren mit diesen lächerlichen Buchstaben beschriftet, andere gar nicht. Die Fahrer der Lieferwagen sahen allesamt aus, als hätte Putin persönlich sie aus dem Knast entlassen, um die Handelsbilanz aufzubessern. Sie redeten nicht, rauchten nicht, klauten nicht, sofern ich das sehen konnte. Sie funktionierten wie eine gut organisierte Gang. Ich versuchte, in einigen Kartons den Inhalt zu erkennen, aber die Dunkelheit und das ganze Füllmaterial aus Styrochips oder Holzwolle machte das Vorhaben unmöglich. Ich fragte mich, was Karpi hier heimlich verschob. Dieses Rätsel würde ich heute nicht lösen können. Meine eigentliche Aufgabe vielleicht schon.
Ich zischte weiter, checkte die Aufteilung
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