Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Werkstatt gefunden hatten.
ZWÖLF
Die Kneipe hieß nicht nur Die Werkstatt , sie sah auch genau so aus. Die gesamte Einrichtung bestand aus alten Maschinen, Drehbänken, Werkzeugen und Ölfässern. Sogar eine Hebebühne war dabei, die allerdings nur zur Zierde diente. Alle anderen Einrichtungsgegenstände waren mit viel Liebe und Geschick, aber wenig Geld in Hocker, Bänke, Tische und Stühle verwandelt worden. Es roch nach dem üblichen Kneipenmuff mit einem Hauch Altöl. Himmlisch!
»Puh, diese Benzoldämpfe sind lebensgefährlich«, murmelte Martin, als er an die Theke trat.
»Ja, die Sanis schleifen fast jede Nacht eine Leiche hier raus«, bestätigte ich.
Martin erstarrte.
»War ein Scherz«, sagte ich. »Wie viele Benzoldampfleichen hast du in den letzten Jahren auf dem Tisch gehabt?«
Er schwieg.
»Eben. Also mach dich locker.«
Martin trat an die Theke, die wohl ehemals eine Drehbank gewesen war, und bestellte ein …
»Bier!«, brüllte ich, bevor er wieder so ein Wasser bestellen konnte. Wie sollte der Kerl, dem der Laden gehörte,Martin ernst nehmen, wenn der ein Wässerchen bestellte?
»Also ein Bier«, gab Martin nach.
Das Gebirge von Mann, das das Bier zapfte und vor Martin stellte, hatte bisher noch keinen Ton von sich gegeben. Weder einen Gruß noch eine Bestätigung der Bestellung noch ein freundliches Prost. Wenig zugänglich, der Typ. Martin nippte an seinem Glas und schaffte das Kunststück, praktisch nichts durch die in Abwehrhaltung zusammengepressten Lippen zu saugen und trotzdem zu schlucken.
»Na los«, trieb ich ihn an. »Frag ihn, ob er Agathe ist.«
»Ich bin auf der Suche nach dem Freund von Susanne Hauschild«, stammelte Martin mit einem Blick auf den Bauch seines Gegenübers. Ihm in die Augen zu schauen, traute er sich wohl nicht. Wäre sowieso schwierig gewesen, da die Augenbrauen des Wirts bei anderen Zeitgenossen für eine ganze Frisur gereicht hätten.
»Und warum suchst du den?«, knurrte der Kerl. Obwohl ich sicher war, dass die Worte von ihm gekommen waren, hatte ich in dem Wildwuchs von schwarzen krausen Haaren zwischen Nase und Brust keinerlei Bewegung ausmachen können. Vielleicht war er Bauchredner.
»Mein Freund wird verdächtigt, Susanne ermordet zu haben«, flüsterte Martin.
Immerhin hatte er es geschafft, den Blick zu heben, aber das half ihm nicht viel weiter. Der Wirt machte nur eine winzige, kaum wahrnehmbare Pause beim Polieren seiner Gläser, in dem zugewachsenen Gesicht zeigte sich keine Regung. Die stattliche Wampe, die in ein schwarzes T-Shirt und eine ebenso schwarze Lederweste gezwängt war, ließ ebenfalls keine Erwiderung hören. Dieser Bauch mochte sprechen können, aber eine Sabbeltasche war er nicht.
»Sind Sie der Mann, den ich suche?«, fragte Martin. Er war auf seinem Hocker so weit zusammengeschrumpft, dass er kaum noch über die Theke schauen konnte.
»Martin, setz dich aufrecht hin«, forderte ich ihn auf. »Keine Angst, der Kerl wird dich nicht hier vor allen Gästen vom Hocker prügeln.«
Martin setzte sich gerade.
»Weiter«, forderte ich.
»Ich warte ja noch auf die Antwort.«
Ich seufzte, dabei hatte Zeit für mich eigentlich keine Bedeutung mehr. Aber wenn wir in dieser Geschwindigkeit vorankamen, wäre Gregor nach verbüßter Strafe wieder draußen, bevor Martin irgendetwas in Erfahrung gebracht hätte.
Der ins Leder genudelte Wirt stellte das letzte Glas weg, legte das Poliertuch ordentlich zusammen, stützte beide Hände auf die Theke und beugte sich zu Martin.
»Ich bin Ioannis Anastásios Dimitrios Agathagelidis. Und wer bist du?«
»Martin Gänsewein. Freut mich.«
Martin streckte dem Keratinmonster die Hand hin, die Ioannis anstarrte, aber nicht schüttelte.
»Und was genau willst du?«, fragte der Grieche.
»Ein Bier«, rief jemand von einem der Ölfass-Tische aus den dunklen Tiefen der Werkstatt herüber.
»Halt’s Maul«, brüllte Ioannis zurück. »Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?« Dann wandte er sich wieder dem bibbernden Martin zu.
»Konzentrier dich«, ranzte ich Martin an. »Schön der Reihe nach und die großen Buchstaben nach vorn.«
»Ich bin auf der Suche nach jemandem, der weiß, warum Susanne Hauschild ermordet wurde«, wisperte er.
»Unterstellst du mir da was?«, flüsterte Ioannis.
»Nein, keinesfalls«, beteuerte Martin hektisch. Er warwieder auf Thekenniveau herabgesunken. »Ich frage mich nur, ob Sie vielleicht eine Idee haben. Vielleicht wissen Sie, woran Susanne
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