Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
geöffnet und für jedermann zugänglich war. An allen Wänden standen Regale oder Schränke mit Schubladen unterschiedlichster Größen. In den Regalen fand sich alles, was an ein Zweirad montiert werden konnte, einschließlich diverser Teile, die man zwar anbauen konnte, aber nicht durfte. Ordentliche Schildchen an den Schubladen verrieten den Inhalt: Bremshebel, Bremszüge, Kupplungshebel, Pedale, Fußrasten, Blinker, Ketten, Ritzel, Stoßdämpferfedern und natürlich alle technischen Teile für Motoren und Getriebe. An der Rückwand der Garage befanden sich die größeren Teile: Rahmen von Mofas, Mokicks oder Leichtkrafträdern, ein Motorradrahmen inschreiendem Grün, der nur von einer Kawasaki stammen konnte, einige Frontgabeln und ein Beiwagen inklusive Hundegeschirr. Bei den meisten Rahmen waren die Seriennummern weggefeilt oder die Typenschilder entfernt. Ich wies Martin vorsichtshalber nicht darauf hin, weil er diesen kriminellen Ort dann sicher sofort hätte verlassen wollen.
Es waren nur drei Kunden da, von denen der eine der mit dem Designerarsch war. Er kaufte ein Kreidler-Typenschild mit dem Geburtstag seiner Angebeteten, wie er Ioannis wortreich erklärte. Ioannis brummte etwas aus seinem haarigen Wildwuchs und stanzte das Datum ein. Dann vertickte er die Original-Frontleuchte einer Gießkanne von fünfundachtzig und einen Auspuff von BMW.
»Gießkanne?«, fragte Martin, der offenbar meine Gedankengänge verfolgt hatte.
»Ein liebevoller Spitzname für die Yamaha SR 500.«
Martin schüttelte ungläubig den Kopf. Mit ihm kann man einfach kein Gespräch unter Männern führen.
Als Martin und Birgit endlich an der Reihe waren, baute Ioannis sich mit in die Hüften gestützten Händen vor Martin auf.
»Was denn noch?«, fragte er. Wieder war im Mundbereich keine Bewegung zu erkennen.
»Wir suchen Typenschilder von Kreidler«, sagte Birgit.
Ich hatte Martin geraten, ihr die Gesprächsführung zu überlassen, und Martin hatte Birgit unterwegs über seinen Ausflug vom Mittwoch informiert. Birgit war überrascht gewesen, dass Martin ihr davon bisher nichts erzählt habe, und wie er überhaupt auf diesen Ioannis gekommen sei, aber letzten Endes hatte sie das Thema fallen gelassen, weil sie einen plötzlichen Fress-Flash bekam. Zum Glückwatschelten die beiden gerade an einer sonntags geöffneten Bäckerei vorbei – wenn man Birgit glauben wollte, unmittelbar bevor sie in ein ernstes Unterzuckerungskoma gefallen wäre. Zwanzig Minuten nach einem halben Kilo Müsli. Aber bitte, eine Schwangerschaft entschuldigt alles.
Der Grieche griff ohne hinzusehen in eine Schublade unter dem Verkaufstresen und legte ein Schild auf den Tisch.
»Wie viele davon kann ich haben?«, fragte Birgit.
Ein zweiter Griff und eine ganze Handvoll von den Dingern klimperte auf den Tresen.
»Ich nehme alle«, sagte Birgit. »Mit folgender Nummer.«
Sie legte den Zettel mit der Seriennummer von Gregors Typenschild auf den Tisch. Ich war in der Nacht noch schnell in den Besprechungsraum der Soko Sahne gedüst, um die Nummer von Gregors Schild abzulesen. Obwohl die Beleuchtung nur durch die Straßenlaterne vor dem Präsidium kam, konnte ich die Ziffern einigermaßen sicher erkennen.
»Kosten dreißig pro Stück«, sagte Ioannis.
Martin zählte bereits die Schilder und errechnete den Gesamtbetrag, was ihn leicht blass werden ließ, aber Birgit lächelte Ioannis mit ihrem strahlendsten Lächeln an und fing an zu feilschen.
»Hundert für alle?«
»Für hundert bekommst du drei und einen Lolli«, entgegnete Ioannis.
»Hundertzwanzig und eine Auskunft.«
Irgendwo zwischen der Lederweste und dem Wildwuchs im Gesicht entstand ein Geräusch, das mich an einen überhitzten Kühler erinnerte.
»Wer hat in letzter Zeit so ein Schild gekauft?«
»Das ist zurzeit das beliebteste Souvenir in der Szene.«
»Mit dieser Nummer?«
»Ich führe weder über meine Kunden noch über deren Geburtstage Buch.«
»Es ist kein Geburtsdatum, sondern die Nummer, die das wichtigste Beweisstück im Mord an Ihrer Freundin trägt.«
Ioannis beugte sich so weit vor, dass seine Augenbrauen Birgits Stirn berührten. »Willst du mir drohen?«
»Nein«, sagte Birgit, deren Lächeln noch immer genauso strahlte wie zu Beginn des Gesprächs. »Ich will alle Schilder mit dieser Nummer für hundertzwanzig. Und ich will wissen, wer zuletzt so eins gekauft hat.«
»Diese Information kann ich dir nicht geben.«
»Weil Sie jemanden schützen?«
»Weil ich
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