Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Glotze zu hängen oder ihre Bankdaten auszuspähen, aber für Irdische ist es noch unheimlicher, weil sie ja erwischt werden können. Gut, das konnten die beiden jetzt nicht mehr, zumindest nicht von der Wohnungsinhaberin, aber dafür ist die Wohnung eines Mordopfers noch eine Spur spukiger als eine normale Wohnung.
»Okay, dann los.«
Die beiden trennten sich. Sie durchsuchten jede Schublade, jeden Schrank, Martin schaute in jede Tee-, Zucker-, Salz- und sonstige Dose in der Küche. Er schaute selbst in der Pfeffermühle nach, fand aber nur Pfefferkörner. Birgit durchstöberte die Wohnzimmerschränke. Ich kannte die Wohnung bereits und hatte alle offensichtlichen Verstecke abgecheckt, aber natürlich hatte ich nichts anfassen, ausleeren oder sonst wie handgreiflich werden können. Es musste ein Versteck in der Wohnung geben, das erst auf den zweiten Blick sein Geheimnis preisgab.
Mein Geld hatte ich in Socken aufbewahrt. Ich schlug also Martin vor, in Sahnes Socken nachzusehen. Niete. Im Kissen eines Hupenpushers? Niete. Im Absatz eines Schuhs? Niete.
USB-Sticks passten praktisch überall hinein, das war das Problem.
Die Millimetersuche langweilte mich, daher überlegte ich, ob ich Martin bitten sollte, mir einen Film in den Rekorder einzulegen. Sahne hatte eine ganze Reihe von DVDs im Regal stehen, von denen einige natürlich nicht in Frage kamen. Liebesschmonzetten, Familiendramen oder Hobbitfilme. Es gibt wenige Dinge auf der Welt, die ich mehr hasse als Hobbitfilme. Aber vielleicht hatte sich die kleine, dicke Sahne den kleinen, dicken Hobbits irgendwie verbunden gefühlt.
Immerhin gab es einige Fernsehklassiker, die akzeptabelwaren. Die erste Staffel von ›Alf‹, ›Magnum‹, ›MacGuyver‹, ›Miami Vice‹ und, o Wunder!, ›Ein Duke kommt selten allein‹. Diese Serie im Regal einer Tussi? Die ansonsten auf filmische Schmachtschinken steht? Ich schaltete mich zu Martin, damit er mir die DVD einlegte. Der stand gerade in enger Umarmung mit Birgit in der Küche. Was aufgrund des Ballonbauchs relativ ist. Das mit dem eng, meine ich.
»Hey, Martin, du könntest mir eine DVD einlegen. Die Frau hat einen astreinen Geschmack bei alten Fernsehserien. Viel Schrott, natürlich, aber auch ein Hauptgewinn!«
Martin versuchte, mich aus seinen Gedanken zu vertreiben, aber es gelang ihm nicht ganz. In einer potenziell gefährlichen Umgebung lässt er immer einen Spalt auf, damit ich ihn warnen kann. Dafür bin ich gut genug. Übrigens, bevor Sie jetzt fragen: Keine Ahnung, was hier gefährlich sein sollte.
Martin strafte mich mit Missachtung.
»Martin! Die Serie habe ich schon ewig nicht mehr gesehen! Die ist total cool. Da sind geile Autos drin und total heiße Bräute und …«
»Kannst du auch mal an etwas anderes denken als an Autos und Sex?«, fragte Martin genervt.
»Hey, ich bin derjenige, der seit Gregors Verhaftung praktisch ununterbrochen für seine Befreiung kämpft!«
Martin seufzte, kam aber brav mit mir ins Wohnzimmer. Mit dem Finger fuhr er an den DVDs entlang, um die zu finden, die ich meinte.
»Weiter, weiter …«, dirigierte ich, aber plötzlich stockte ich.
»Was denn nun?«, fragte Martin.
»Warte. Geh noch mal zurück!«, rief ich. Martins Pummelfinger wanderte gehorsam zurück. Und da war sie wieder, die DVD, die mich an den uralten, schon damals totaldämlichen Gag erinnerte, den meine Kumpels jedes Mal gemacht hatten, wenn die schleimigen Jungs in den rosa Anzügen durch die nächtliche Drogenmetropole Miami rasten: »Miami Vice«, sagte einer und ein anderer fragte: »Was weiß Miami denn?«
Ich sag ja, total dämlich. Wir glotzten die Serie ja auch nur wegen der Karren. Zugegeben, ein bisschen glotzten wir auch wegen der geilen Weiber, aber sicher nicht wegen der coolen Typen. Männer in pastellfarbenen Anzügen sind nicht cool, da können sie noch so oft die Knarre ziehen.
»›Miami Vice‹, Martin! Schau nach, was da drin ist!«
Martin griff nach der DVD-Hülle und schlug sie auf. Eine DVD war drin – Überraschung! Allerdings war es keine gekaufte Filmscheibe, sondern eine selbstgebrannte, und ich war ziemlich sicher, dass wir keinen Bullen in stramplerblauem Polohemd und Strandlatschen sehen würden, wenn wir den Silberling in Martins Laptop legten.
ZWANZIG
Wir hockten zu dritt vor Martins Laptop. Zwischen Martin und Birgit war dicke Luft, weil Martin ihr nicht erklären konnte, wieso er aus ihrer Umarmung in der Küche zielstrebig ins Wohnzimmer gepudelt war und
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