Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
in einer beliebigen Versicherung oder Bank oder … Hey, auf dem Bildschirm von Omis Enkelchen tauchte ein Vögelchen auf, das sogar ich aus den Nachrichten kannte. Der Bundesadler. Das war nicht das täglich wechselnde lustige Logo einer Suchmaschine, nein, dieser Bundesadler war real. Will sagen: Omis Enkelsohn war auf einer Seite der Regierung gelandet. Das war nicht weiter ungewöhnlich, denn natürlich hatte unsere Regierung eigene Seiten im Internet, auf denen sie dem Wahlvolk wortreich und wahrheitsarm vermittelte, wie genial sie doch sei. Aber so eine Seite war diese hier nicht. Im Gegenteil. Hier wurde ein Passwort gefordert, dann noch eins und schließlich ein drittes. Omas Enkel gab die Passwörter allerdings nicht ein, sondern aktivierte für jedes einen Such-Algorithmus, oder wie die Programme heißen, die elektronische Datensicherungen umgehen.
Mir fiel nur eine einzige mögliche Interpretation dieser Digitalhölle ein: Ich war in einem Hackerclub gelandet.
Ein Obermufti saß an einem Tisch abseits der anderen und klickte sich durch die Bildschirme, an denen die Jungs arbeiteten. Ein Tastendruck und er konnte sehen, was Nummer sieben trieb, der nächste Klick zeigte den Bildschirm von Nummer acht und so weiter. Ganz klar, der Typ kontrollierte, was in diesem Laden so vor sich ging. Alles hier unten funktionierte kabellos. Das war zweifellosdie Erklärung für die Abschirmung. Jeder normale Nutzer sicherte sein WLAN mit einem Zugangscode. Ein Hackerclub wusste, dass das nicht reichte, um ungebetene Gäste fernzuhalten. Hier wurde abgeschirmt, was das Zeug hielt. In dieses Netz kam keiner rein.
Ich schlenderte ein bisschen hin und her. Nummer drei befand sich, wenn ich das richtig deutete, in einem Banksystem und checkte Kontostände und Geldströme. Nummer sechs rief Daten aus dem Computer des Verfassungsschutzes ab und Nummer acht prüfte anhand einer Liste die Zulassungsdaten von Fahrzeugen. Dann gab es noch einen Eindringling in Deutschlands bedeutendster Waffenschmiede und weitere interne Server größerer Unternehmen.
Während ich über den Köpfen der Hacker hing, meldete Nummer zwei sich ab.
Der Obermufti checkte den Verlauf seiner Tätigkeit, nickte zufrieden und zählte ein paar Fuffis von einer fetten Rolle Geldscheine ab.
»Bis morgen?«, fragte er.
Nummer zwei schüttelte den Kopf. »Morgen hat meine kleine Schwester Geburtstag. Aber übermorgen.«
Die beiden schlugen die Fäuste aneinander, dann verschwand Nummer zwei über die Treppe, über die ich eben gekommen war. Ich verschwand mit ihm.
7. Juli, Tag 10 nach Gregors Festnahme
Als ich im Büro ankam, war Jenny schon da. Sie hatte eine Tasse Kaffee vor sich stehen und starrte – wieder mal – auf die Akte Paulina Pleve. Sie bemerkte Offermann gar nicht, der plötzlich in der Tür stand.
»So früh schon so schön«, schleimte Offermann.
Jenny blickte auf und wurde rot. »Hi. Wie hast du die Nacht überstanden?«
Offermann kam herein, ließ sich auf einen Stuhl fallen und zuckte die Schultern. »Wir hatten Glück und Pech. Waffen und Drogen im Vereinsheim, aber immer noch keine Spur vom Täter. In diesen Bandenkriegen decken die Kameraden sich gegenseitig, das ist die Hölle.«
»Das tut mir leid.«
»Und wie läuft es bei dir?«
Jenny stieß einen leisen Seufzer aus. »Der Hausapotheker des Altenheims, in dem Paulina Pleve gearbeitet hat, ist verschwunden.«
Offermann runzelte die Stirn. »Ich dachte, der Fall Pleve wäre abgeschlossen.«
»Richtig, das hast du ja gar nicht mitbekommen.« Jenny schüttelte den Kopf. »Wir haben ihn wieder aufgenommen, weil es nun doch ein Mord gewesen sein könnte. Und jetzt ist dieser Krämpel weg. Das wirft natürlich wieder ein neues Licht auf die Sache.«
Offermann hatte richtig zugehört, Jenny dabei angesehen und mit kleinen Reaktionen seine geistige Wachheit demonstriert. Aktives Zuhören war laut Frühstücksfernsehen wichtig für eine Beziehung und Offermann hatte es voll drauf. Es schien glatt so, als läge ihm wirklich etwas an Jenny, auch außerhalb des Bettes. »Was ist die aktuelle Spur?«
Jennymaus zuckte die Schultern. »Ehrlich gesagt habe ich keine. Ich dachte …«
Jennys Telefon klingelte.
»Ist ziemlich unfair, dass der Chef dich in der Sache allein lässt«, sagte Offermann, während er sich erhob. »Aber ich helfe dir gern.« Er warf Jenny eine Kusshand zu und verschwand.
Jenny hatte ein erhebliches Informationsdefizit. Siewusste noch nichts über Yuri, sie
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