Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
hatte sie über seine Oma, daher schickte ich ihr gleich nach dem Frühstück eine SMS. Zwanzig Minuten später war Birgit unterwegs.
Ich schaltete mich zu Martin und fand ihn allein in seinem Büro.
»Martin, wir müssen dringend ein paar Dinge klären.«
Martin nickte.
Nanu, keine Widerrede?
»Wir müssen wissen, ob die Fälle von Paulina und Sahne zusammenhängen, sonst suchen wir in der falschen Richtung.«
Martin nickte.
»Und wir müssen Yuri und Krämpel finden. Oder besser, finden lassen. Also Jenny darauf ansetzen.«
Martin nickte wieder. War er katatonisch?
»Die Medikamentenfälschung, die dein Kumpel angedeutet hat, sollten wir auch irgendwie prüfen. Kannst du das nicht hier von den Toxis …«
»Hier nicht«, sagte Martin. »Aber ich kenne ein Labor, das die Sachen untersuchen kann. Ich brauche nur ein Rezept, um die Pillen zu bekommen.«
»Mist, das hättest du doch von deinem Kumpel haben können«, maulte ich. »Wie lange dauert das jetzt?«
Martin zuckte die Schultern. Er war ja auch sonst kein Quell übersprudelnder Lebensfreude, aber im Moment war er mir richtig unheimlich. Keine Ahnung, was ihm widerfahren war, dass er so völlig leer war. Ja, das war es, was ich in seiner Nähe fühlte. Er war einfach leer. Keine Gedanken, keine Power, nichts. Flasche leer.
»Katrin ist weg«, murmelte Martin. »Sie hatte noch so viel Urlaub und Überstunden, dass der Chef sie freistellen musste.«
»Moment mal«, sagte ich, als das Wort »freistellen« in meine Denkschüssel gesickert war. »Was meinst du mit weg?«
»Sie hat gekündigt. Kommt nicht wieder. Will die Stadt verlassen.«
Das haute mich aus der Bahn. Katrin, meine heiße Katrin. Weg. Das war unvorstellbar!
»Gregor unter Mordverdacht, Katrin weg … alles bricht zusammen«, jammerte Martin.
»Immerhin hast du ja noch Birgit und mich«, versuchte ich ihn zu trösten, und bei der Erwähnung von Birgit flackerte ein winziger Lichtschein durch sein Gemüt, der aber gleich wieder verschwand, als mein Name auftauchte. Blödmann.
Ich ließ ihn in seiner schwarzen Stimmungswolke sitzen. Sollte er überlegen, wie er an die Medikamente kommen wollte, ich hatte etwas anderes vor.
Birgit war inzwischen bei Sahnes Nachbarin angekommen und saß wieder zwischen den Deckchen auf der Couch.
»Ich muss dringend mit ihm sprechen«, sagte sie gerade und ich hatte den Eindruck, dass sie es nicht zum ersten Mal sagte. Immerhin schien ja auch bereits klar zu sein, dass der Enkel gemeint war.
»Und ich habe gesagt, dass ich wissen möchte, warum.« Frau Bergers Stimme klang schrill und ihre Körperhaltung verriet Kampfbereitschaft.
Birgit holte Luft und reckte das Kinn etwas höher. »Der Job, den Ihr Enkel hat …«
»Ja? Was ist damit?«
»Ich glaube, dass die Arbeit, die er macht, nicht legal ist.«
»Das muss ich mir nicht bieten lassen«, keifte die Oma. Sie griff nach dem Saftglas, das vor ihr auf dem Tisch stand, kippte die Hälfte des trüben Inhalts mit Todesverachtung hinunter und schüttelte sich.
»Stimmt«, sagte Birgit. »Aber die Kripo muss sich das anhören, deshalb werde ich jetzt dorthin fahren.«
»Was mischen Sie sich überhaupt in die Angelegenheiten meines Enkels ein?«, krakeelte die aggressive Großmutter. Ohne ihr Likörchen war sie mächtig auf Krawall gebürstet.
»Auf den Blutdruck!«, rief sie und leerte das Saftglas auf ex. Dann stieß sie kräftig auf. Der Geruch von Sauerkraut verbreitete sich im Wohnzimmer. »Ekelhaftes Zeug«, murmelte sie. »Aber wahnsinnig gesund, sagt meine Tochter.«
Birgit schnappte nach frischer Luft und kämpfte sich auf die Füße.
»Setzen Sie sich!«, kommandierte die Alte und griff zum Telefon.
Während Birgit auf die Ankunft des Zeugen wartete, schlurfte die Oma ruhelos durch ihre Wohnung, vermutlich auf der Jagd nach Alkohol. Plötzlich kam ihr eine Idee. Sie ging ins Bad und nahm einen ordentlichen Schluck aus der Arzneimittelpulle mit der Nonne drauf. Die entspannendeWirkung setzte sofort ein. Ob das allerdings an den heilenden Kräutern oder an den strammen neunundsiebzig Prozent Alkohol lag, sei jetzt mal dahingestellt Die Fahne war jedenfalls noch feststellbar, als der Enkel kam, denn er wandte sich gleich an Birgit:
»Haben Sie meiner Oma etwa Alkohol mitgebracht? Das Zeug ist Gift für ihre Leber.«
Birgit stutzte kurz, schüttelte den Kopf und tat dann etwas, das die wenigstens Perlhühner können: Sie konzentrierte sich auf das Wesentliche.
»Ich weiß, dass du bei
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