Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Sahne eine andere Baustelle war, denn es gab keinen Hinweis auf eine Verbindung zwischen beiden Fällen.
Offermännchen hörte sich wieder alle Details geduldig an, nickte an den richtigen Stellen und bestärkte Jenny inihrer Meinung, dass Paulina sich aufgehängt hatte, dass Yuri deshalb ausgeflippt war und seinen Frust aufgrund irgendeines Missverständnisses auf Krämpel projiziert und ihn entführt hatte. Dass Sahne nicht in dieses Szenario passte, bewies, dass ihr Mordfall von den Vorkommnissen im Altenheim völlig unabhängig war.
Diese krasse Fehleinschätzung machte mir mal wieder klar, dass bisher weder Jenny noch die Düsseldorfer Kripos etwas von den Informationen wussten, die wir aus Sahnes Wohnung geholt hatten. Gut, die Informationen waren bisher nicht vollständig, und Martin wartete auf die Analysen der Pillen, die er im Heim geklaut hatte, aber wie lange würde er noch brauchen, bis er den Düsseldorfer Kripos einen kleinen, feinen Hinweis darüber zukommen ließ, dass Sahne in dem Altenheim einer Reihe von seltsamen Todesfällen auf der Spur gewesen war und diese Tatsache ein astreines Motiv für einen Mord darstellen konnte? Anders gesagt: Wie lange sollte Gregor noch im Knast sitzen, während Martin im Schneckentempo Hobbydetektiv spielte? Ich hielt zwar nicht viel von Keller und Stein, aber Lili Leuchtfee würde sich mit Begeisterung auf die neue Spur mit Sahnes Dateien stürzen. Ich würde Martin Feuer unter dem Arsch machen müssen.
SIEBENUNDZWANZIG
9. Juli, Tag 12 nach Gregors Festnahme
Freitagfrüh rückte ich Jenny auf den Pelz. Sie hatte gleich als Erstes eine Besprechung mit ihrem Chef, in der sie die neuesten Entwicklungen im Fall Paulina Pleve zur Sprache brachte.
»Gut«, sagte der Chef, nachdem Jenny ihm stockend die Story von Yuri und Krämpel und dem vermuteten Kidnapping erzählt hatte. »Treiben Sie diesen Jürgen Gernot auf. Er ist als ehemaliger Liebhaber von Paulina Pleve ein wichtiger Zeuge bei der Frage, ob es sich um Selbstmord oder Mord handelt. Wenn Sie ihn finden, werden wir auch wissen, was wir von diesem Kidnapping-Vorwurf zu halten haben.«
Es gelang Jenny recht schnell, die Adresse und Telefonnummer von Jürgen Gernots Eltern herauszufinden. Sie bekam die Frau Mama an den Apparat.
»Die Polizei? Aber warum suchen Sie Jürgen denn?«
Jenny sabbelte das übliche Wischiwaschi, in dem das Wort Routine neben dem Wort Fragen die Hauptrolle spielte. Ich kann natürlich nicht in die Köpfe der Leute hineinschauen, die sich diese dummen Sprüche anhören müssen, aber ich glaube nicht, dass auch nur einer vondenen jemals an Routinefragen geglaubt hat. Oder empfinden Sie Anrufe der Kripo als Routine? Eben.
»Mein Sohn ist Arzt. Er wird also wahrscheinlich in der Klinik sein. Falls er dort nicht ist, könnte er in unserem Wochenendhaus sein. Oder im Apartment meines Mannes, das er nutzt, wenn er beruflich in Bonn ist. Normalerweise ist er ja meist in Berlin. Oder in der Jagdhütte meines Mannes. Oder natürlich auch überall sonst.«
Besonders der letzte Hinweis würde den Fall in null Komma nichts aufklären helfen, liebe Frau, vielen Dank!
Jenny bekam die Adressen der familiären Immobilien sowie die Handy- und Arbeitsplatznummer von Yuri und legte auf.
Im Krankenhaus erfuhr Jenny, dass Jürgen Gernot, genannt Yuri, seit Montag nicht zur Arbeit erschienen war.
»Hat er sich abgemeldet?«, fragte Jenny.
»Kein Wort haben wir von ihm gehört. Sehr ungewöhnlich. Er ist nämlich eigentlich sehr zuverlässig, der Herr Gernot.«
Ich bin kein Navi, hatte aber Zugang zum Internet und konnte daher relativ schnell die von der Mama genannten Adressen lokalisieren. Es kostete mich kaum eine halbe Stunde, um das Wochenendhaus im Bergischen und das Apartment in Bonn zu überprüfen. Beide leer. Die Jagdhütte im Sauerland fand ich nicht. Wenn irgendwo mehr als zehn Bäume zusammenstehen, ist mein Orientierungssinn überfordert. Vielleicht hielt Yuri sich also dort auf, vielleicht gab es aber auch in einer der beiden von mir oberflächlich überprüften Adressen weitere Hinweise auf seinen Verbleib. Die Profis, die Jenny zu diesem Zweck mobilisieren konnte, würden die Antwort schon finden. Die Frage war, wann.
Der Chef zitierte Jenny gleich nach der Mittagspause zu sich. Sie klemmte sich die Akte Paulina Pleve unter den Arm und setzte sich.
»Wie genau haben Sie Lila Weiz identifiziert?«, fragte er.
Jennys Gesichtszüge entgleisten. »Wie bitte …?«
»Lila Weiz. Wie
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