Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
sie auch nicht zu wissen. Sie tippelte hinter Weiz her und schüttelte den Kopf.
»Herr Weiz, seien Sie doch nicht kindisch«, sagte sienach einer Weile. »Was auch immer Sie für ein Problem haben, sagen Sie es mir. Die Polizei kann Ihnen helfen.«
Weiz lachte gezwungen.
Sie waren fast an der Kapelle angekommen. Weiz blieb stehen und blickte Jenny in die Augen.
»Ich muss Sie um einen Gefallen bitten«, sagte er.
Jenny zog die Augenbrauen hoch.
»Bitte behandeln Sie diese Sache so vertraulich wie möglich.«
Jenny straffte die Schultern. »Sie haben Angst«, stellte sie mit einigermaßen sicherer Stimme fest. »Ich vermute, dass Sie erpresst werden. Vielleicht wurde Ihre Tochter entführt, oder Sie befürchten ein Kidnapping. In jedem Fall wäre es das Beste, dass Sie der Kripo die Wahrheit sagen. Sonst können wir Ihnen nicht helfen.«
Weiz schüttelte den Kopf. »Die Polizei, dein Freund und Helfer?« Der Spott troff aus seiner Stimme. »Nein, danke.«
Jenny sah aus, als hätte sie aus Frust am liebsten mit dem Fuß aufgestampft, aber sie beherrschte sich und gab Weiz stattdessen ihre Visitenkarte.
»Es wäre für meine Reputation als Unternehmer nicht gut, wenn diese Geschichte in der Öffentlichkeit breitgetreten würde.«
»Ich warte auf Ihren Anruf, Herr Weiz. Und dann will ich wissen, was hier gespielt wird«, sagte Jenny, drehte sich um und ging zurück zum Grab, um die Friedhofsmitarbeiter am Zuschütten der Grube zu hindern.
»Ich zähle auf Ihre Diskretion«, rief Weiz ihr hinterher.
Ich folgte Weiz in die Kapelle, die von einigen Leisetretern ausgeräumt wurde. Eine Frau sammelte die Liedzettel ein, ein Maulwurf schleppte offensichtlich das Porträt der Weiz-Tochter aus der Kapelle und lud es in einen Lieferwagen,auf dem der Schriftzug eines großen Beerdigungsunternehmens stand. Ich konnte einen Blick auf das Bild erhaschen und fühlte mich, als wäre ich frontal gegen einen ICE gerast. Von dem Foto grinste mir die Platine entgegen.
ACHTUNDZWANZIG
Ich war so schockiert, dass ich gar nicht gleich merkte, wie Martin mich anfunkte.
»Ich habe die Ergebnisse der Pillenanalyse vorliegen«, teilte er mir mit, während ich noch im Anflug war. »Du wirst dich wundern.«
Mich wundert nichts mehr, dachte ich, immer noch in Gedanken bei der Platine, die putzmunter im Altenheim lebte, während ihr Vater ihre Beerdigung fingierte. Was sollte diesen Schwachsinn noch toppen?
»Von den drei Pillen, die wir haben testen lassen, weisen zwei keine Wirkstoffe auf«, erläuterte Martin das hochgestochene Blabla des Laborberichts. »Zusätzlich haben die Arzneimittel ohne Wirkstoffe noch einige Verunreinigungen, die vermutlich durch Füll- oder Trägerstoffe hineingeraten sind.«
»Was, zum Teufel, sind Füllstoffe?«, fragte ich, in Gedanken bei Silikonkissen.
Er setzte zu einer umständlichen Erklärung mit jeder Menge Fachvokabular an, aus der ich hier mal die Fakten isoliere und in allgemeinverständliche Sprache übersetze, was sich dann ungefähr so anhört: Wenn man eine Pille mit einem Wirkstoffgehalt von einigen Milligramm herstellen will, kann man entweder die Pille so klein machen,dass sie im Dreck unter den Fingernägeln verschwindet, oder man nimmt zehn Gramm Mehl, presst das Zeug in Tablettenform, gibt den Milligramm Wirkstoff dazu und erhält ein Smartie.
»Dann ist also MelinaMed ein Pfuscher, der zwar Mehldummys presst, aber leider den Wirkstoff vergisst«, fasste ich Martins Gesabbel zusammen.
»Oder die Firma ist Opfer einer Fälschung, die irgendwo im Herstellungsprozess von einem Lieferanten begangen wird.«
»Oder Opfer einer Fälschung, die durch den Handel eingeschleust wird«, fügte Doc Steinhauer hinzu, den Martin zur fachlichen Absicherung unserer Schlussfolgerungen anrief.
»Durch den Handel eingeschleust?«, fragte Martin. »Wir reden hier über apothekenpflichtige Medikamente.«
Steinhauer lachte dreckig. »Na und? Glaubst du etwa, die Hersteller lieferten direkt an die Apotheken? Irrtum. In Deutschland gibt es eineinhalb Tausend Pharmahersteller, über zwanzigtausend Apotheken und knapp fünfzehn Pharmagroßhändler mit einer Unzahl an Logistikzentren, Lagern und Auslieferbetrieben. Das sind nur die großen, die im Bundesverband organisiert sind. Dann gibt es Zwischenhändler, Importeure, Exporteure und Reimporteure. In Österreich und der Schweiz gibt es Hunderte von Großhandlungen, zum Teil mit Vollsortiment. Manche Medikamente werden zum Export bestimmt, bei einem
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