Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
auf dem Kommissariat in der Lerchenstraße gemeldet. In der Nacht, in der Dejan Pantelic verschwunden ist, will er gesehen haben, wie eine Frau einen Mann zusammengetreten hat. Und so, wie er den Mann beschrieben hat, könnte das tatsächlich Pantelic gewesen sein.«
»Kann er die Frau beschreiben?«
»Jo«, sagt der Calabretta.
»Nicht schlecht«, sage ich. »Warum meldet sich der Typ erst jetzt?«, frage ich.
»Ist ’n ziemlicher Freak«, sagt er. »Der Kollege Schulle nimmt ihn schon eine ganze Weile in die Mangel. Der Typ läuft dieser Frau wohl seit Wochen oder sogar Monaten hinterher. Scheint eine Art Stalker zu sein. Und hat wahrscheinlich Schiss, dass wir ihm deshalb was am Zeug flicken können.«
»Verstehe«, sage ich und winke mir ein Taxi ran. »Dann mal bis gleich.«
*
»Wo sind die beiden?«, frage ich.
Der Calabretta steht auf dem Flur vor den Verhörräumen am Fenster und raucht.
»Auf der Fünf«, sagt er.
Ich klopfe an die zweite Tür von links, zähle bis drei und gehe rein.
Der Typ ist ein schmächtiges Würstchen, vielleicht Anfang, Mitte zwanzig. Er hat raspelkurze dunkle Fusselhaare, seine weiße Kopfhaut schimmert an vielen Stellen durch. Auf seiner pickligen Stirn glitzern Schweißperlen. Er trägt ein schwarzes Kapuzenshirt, eine billige dünne Jeans und knautschige graue Schuhe. Er kaut auf seiner Unterlippe und sieht mich nicht an, als ich reinkomme.
»Das ist Frau Riley«, sagt der Schulle, »die Staatsanwältin.«
Der Fusselkopf brummt was Unverständliches und schaut jetzt doch zu mir rüber. Er wirft einen zudringlichen Blick auf mein Hemd.
Der soll bloß aufpassen. Ich bin in einer schlechten Verfassung, es könnte passieren, dass mich das dringende Bedürfnis überkommt, einfach mal jemandem eine zu ballern.
»Also«, sagt der Schulle, »noch mal jetzt. Sie haben nicht nur gesehen, wie die Frau den Mann mit einem Tritt ins Gesicht zu Boden befördert hat, sondern da war auch noch eine zweite Frau. Habe ich das richtig verstanden?«
Der Fusselkopf rutscht tiefer in seinen Stuhl, verschränkt die Arme vor der Brust und sagt:
»Als der Typ sich nicht mehr geregt hat, hat die Elli telefoniert. Und dann kam noch ’ne Tusse. Die kam mit ’nem dicken Auto angebraust.«
Ich setze mich auf einen Stuhl in eine dunkle Ecke und verhalte mich ruhig.
»Was war das für ein Auto?«, fragt der Schulle.
»Saab Kombi.«
»Farbe?«
»Dunkel«, sagt er.
»Und dann?«
»Dann bin ich einen trinken gegangen.«
Der Schulle haut sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
»Das ist nicht Ihr Ernst«, sagt er.
Der Fusselkopf schaut ihn an.
»Kann ich ’ne Kippe haben?«
»Nein«, sagt der Schulle. »Hier wird nicht geraucht.«
»Kann ich gehen?«
Wir können ihn nicht festhalten. Das bisschen Stalking, das wir ihm unterstellen könnten, reicht auf keinen Fall, es gibt ja nicht mal eine Anzeige. Das weiß der Fusselkopf aber nicht so genau. Und der Schulle tut das, was ich auch tun würde. Er sagt:
»Das kommt drauf an.«
»Worauf?«
Der Fusselkopf verzieht sein Gesicht, und jetzt sieht er aus wie ein hässliches kleines Tier.
»Darauf, ob Sie uns noch eine halbe Stunde Ihrer Zeit schenken«, sagt der Schulle, »und unseren Spezialisten dabei helfen, zwei Phantombilder zu erstellen.«
»Warum?«
»Weil die Frau Staatsanwältin hier und ich dann so viel zu tun haben«, sagt der Schulle, »dass wir vermutlich vergessen werden, Ermittlungen gegen Sie wegen Stalking einzuleiten.« Er beugt sich ein Stück zu ihm rüber und senkt die Stimme. »Sie kennen ja sicher die aktuelle Gesetzeslage.«
Der Fusselkopf kaut wieder auf seiner Unterlippe. Ich glaube, er ist sehr dumm.
»Okay«, sagt er.
»Sehr gut«, sagt der Schulle und lächelt, »das ist sehr klug von Ihnen.«
Guter Bulle.
Ich stehe auf und verdrücke mich möglichst unauffällig nach draußen. Der Calabretta steht immer noch am Fenster und raucht. Ich gehe zu ihm rüber und zünde mir auch eine an.
»Sieht so aus, als hätten wir mehr Glück als Verstand«, sage ich.
Der Calabretta nickt. Er wirkt, als wäre ihm ein ganzer Kipplaster voller Steine vom Herzen gefallen.
»In spätestens einer Stunde haben wir zwei Phantombilder für die Fahndung und endlich was in der Hand, womit wir arbeiten können.«
Er nimmt einen tiefen Zug von seiner Zigarette.
»Haben Sie eigentlich was vom Faller gehört?«, fragt er. »Ich mach mir ein bisschen Gedanken, weil er gestern Abend nicht am Leuchtturm war.«
»Nein«, sage
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