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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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ich, »ich hab nichts gehört. Ich glaube aber auch nicht, dass irgendwas ist.«
    Ich hole mein Telefon raus und rufe den Faller an. Es klingelt sechsmal, dann geht seine Frau ran.
    »Hallo?«
    »Chastity Riley«, sage ich, »ist Ihr Mann da?«
    »Er ist im Garten«, sagt sie. »Er wollte ja schon seit Monaten unsere Rosen schneiden, und jetzt macht er das endlich, ach, ich freu mich so …«
    Ich lasse sie reden, halte die Hand vor mein Telefon und sage zum Calabretta:
    »Es ist doch was. Er schneidet Rosen.«
    Der Calabretta legt die Stirn in Falten.
    »Soll ich meinen Mann für Sie an den Apparat holen?«, fragt Frau Faller. Sie klingt aufgekratzt. Wie ein junges Mädchen. Sie freut sich richtig.
    »Nein«, sage ich, »nein, nein. Ist nicht so wichtig.«
    *
    Später, als Klatsche und ich auf meinem Balkon sitzen, auf dem warmen Beton, mit dem Rücken an die Balkontür gelehnt und den Füßen im Efeu vertäut, zähle ich die Funzeln am Himmel. Ich zähle schon eine ganze Weile. Ist gut für die Nerven. Klatsche singt Lili Marleen. Klatsche singt ziemlich schlecht, aber das ist ihm egal. Und mir gefällt es sogar, wie er singt. Es kratzt so schön in den Ohren. Er sagt, Lili Marleen singt er nur für mich. Weil der Song angeblich so gut zu mir passt. Ein bisschen deutsch, ein bisschen amerikanisch, ein bisschen Frau, ein bisschen Soldat, ein bisschen Blume, ein bisschen Bier.
    Bei »Laterne« und Funzel Nummer hundertsiebenundzwanzig höre ich auf zu zählen. Ist gut jetzt. Ich löse mich vom Nachthimmel, rutsche ein Stück näher an Klatsche ran und schaue mir unsere Straße an. Es ist Montagabend, alle liegen in sauer vom Wochenende, und es war dann doch wieder schwül heute. Nichts los da unten. Zwei Mädels hängen vorm Plattenladen rum und zwei vor dem schlechten Thai-Imbiss. Vorm Gelötemarkt knutscht ein Pärchen. Vor unserer Haustür höre ich zwei Typen reden, aber ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Ich glaube, es geht um Flugzeuge. Mehr passiert nicht. Es ist, als wäre die Stadt im Laufe des Tages in eine Art Wärmezeitlupe gefallen, das passiert abends oft zurzeit, und jetzt lohnt es sich auch für niemanden mehr, da noch rauszukommen. Die Blätter an den Bäumen winken nur ganz, ganz langsam, die Lichterketten vor den Läden und Cafés glimmen nur leise, sogar die gammeligen Jugendstilfassaden haben aufgehört zu bröckeln, und ich glaube, ich habe den ganzen Abend noch keine Mücke gesehen. Niemand hat Interesse daran, sich groß zu bewegen. Wer heute arbeiten musste, hat den ganzen Tag geschwitzt und sich dann in der lauwarmen Dusche vergessen. Wer nicht arbeiten musste, lag schon seit heute Morgen am Elbstrand herum und bleibt natürlich auch dort liegen, wenn die Dämmerung kommt. Dann wird der Strand ja erst richtig schön.
    Klatsche zündet sich eine Zigarette an.
    »Gib mir auch eine«, sage ich.
    »Die ist doch für uns beide«, sagt er, küsst mich und bläst mir Rauch in die Lunge.
    Dann legt sich wie eine blausamtene Decke die Nacht auf unsere Scheitel, und wir schlafen ein. Vier Stockwerke über unserer Straße glittern wir einfach weg, und ich vergesse alles. Ich vergesse die Köpfe und die Hände und die Füße in den Müllsäcken. Ich vergesse den toten reichen Sohn und seinen kalten Vater. Ich vergesse die Mädchenhändler und die Mädchen. Ich vergesse sogar, was man Carla angetan hat. Ich vergesse den ganzen blöden Scheiß, bis zum Morgengrauen.

Er lief ihr seit bestimmt zehn Minuten hinterher. Egal, in welches Geschäft sie ging, in welche Straße sie einbog, er lief ihr hinterher. Er kam mit in die U-Bahn-Station, er stieg in denselben Wagen, er stieg sogar mit ihr um. Er blieb ihr einfach auf den Fersen, hörte nicht auf damit. Erst nervte es nur, dann wurde es unheimlich. Er machte ihr Angst, weil er sie auch so anglotzte. Ihr Herz klopfte unschön, und sie fing an zu schwitzen. Aber dann war sie das eine Mal schneller als er, sie war raus aus der Bahn, und er war noch drin.
    Als die Bahn weg war, stand sie am Bahnsteig und heulte. Sie war so wütend. Weil sie sich wieder mal nicht gewehrt hatte. Dieses Arschloch hatte ihr Angst machen dürfen, einfach so, weil er Bock drauf gehabt hatte, und sie hatte sich nicht gewehrt. Der hatte sein Vergnügen gehabt, sie die Arschkarte. Das nächste Mal, so schwor sie sich, würde sie sich wehren.
    Das nächste Mal würde sie vorbereitet sein.
    The Keller-Situation
    D ie Frau auf dem Bildschirm hat lange Locken und sieht aus wie eine

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