Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
sagt Carla und schaut mich betont verwundert an.
Rocco räumt weiter hochkonzentriert die Spülmaschine ein, und ich finde, es sieht aus, als würde er hinter all den Tassen und Gläsern in Deckung gehen.
»Warte mal …«, sagt Klatsche, springt auf und ist eine Sekunde später an der Tür, die runter zum Keller führt. Rocco macht einen Satz hinter der Theke hervor. Er will Klatsche aufhalten, aber der ist schon auf der Treppe. Rocco sprintet hinterher.
»Wie schön, liebe Carla«, sage ich, »offensichtlich ist ja wirklich alles in bester Ordnung.«
Sie zieht eine Flunsch, und dann erscheint Klatsche auch schon wieder auf der Kellertreppe. Er hat ein merkwürdiges Grinsen im Gesicht und sagt:
»Chas, kommst du mal, bitte?«
Ich stehe auf, gehe zur Treppe und folge Klatsche in den Keller. Im Keller stehen zwei Stühle, die an den Lehnen aneinandergebunden sind. Auf den Stühlen sitzen zwei Typen. Die Typen sind mit Armen und Beinen an die Stühle gefesselt. In ihren Mündern stecken schwarze Sockenknebel. Die beiden armen Schweine sehen unfassbar lächerlich aus.
»Was soll das sein?«, frage ich. »Pulp Fiction?«
Rocco lehnt an der Wand, schaut Klatsche an und sagt nichts. Klatsche zündet eine Zigarette an, zieht kräftig und reicht sie an mich weiter.
»Ich glaube, ich weiß, wer das ist«, sagt er.
Ich glaube, ich auch. Die beiden Männer haben die Augen weit aufgerissen, einer versucht verzweifelt, mit mir zu reden. Ich ignoriere ihn und ziehe an meiner Kippe.
»Erklärung, bitte«, sage ich zu Rocco.
Rocco fährt sich mit der Hand übers Kinn.
»Die sind gestern Nacht zufällig ein paar Freunden von mir in die Arme gelaufen«, sagt er.
»Ach nee«, sagt Klatsche. »Zufällig.«
»Ein paar Freunden in die Arme gelaufen«, sage ich, »na, so was. Wie konnte das nur passieren? Hatten die Freunde zufällig Phantombilder von zwei Vergewaltigern in der Tasche?«
Ich ziehe an meiner Zigarette.
»Und dann wusstet ihr euch nicht anders zu helfen, als die Arschlöcher erst mal hier zwischenzulagern, bis sie Schimmel ansetzen? Oder wollte Carla denen heute Abend in aller Ruhe die Eier rausholen?«
Die beiden Männer zucken zusammen, der eine von beiden, der große, kräftige, fängt an zu wimmern.
Rocco hebt die Hände und macht ein ultra-unschuldiges Gesicht.
»Bleib du hier«, sage ich zu Klatsche. »Ich rede mit Carla.«
Ich gebe ihm meine Zigarette und gehe nach oben. Carla steht zwischen Kellertür und Tresen und hat die Hände in die Hüften gestützt.
»Das ist meine Sache«, sagt sie, »halt dich da raus.«
»Carla«, sage ich, »das ist Freiheitsberaubung. Dafür könnt ihr in den Knast gehen.«
»Nicht, wenn du die Schnauze hältst«, sagt sie.
»Liebes, ich bin Staatsanwältin. Ich kann nicht einfach die Schnauze halten.«
Sie rauft sich die dunklen Locken. Sie sieht wild aus.
»Die blöde Bullette hat sich überhaupt nicht angestrengt!«, schimpft sie. »Das war der scheißegal, ob diese Pisser weiter frei rumlaufen!«
»Woher willst du das wissen?«, frage ich.
»Ich hab zehn Tage darauf gewartet, dass irgendwas passiert«, sagt sie. »Ich hab wieder und wieder da angerufen und gefragt, ob sie schon was haben. Nichts. Die haben immer nur gesagt, das läuft. Aber ich schwör dir, die haben keinen Finger gerührt.«
»Carla«, sage ich, »so was geht nicht so schnell.«
»Ach, nee?« Sie verschränkt die Arme vor der Brust. »Rocco hat Sonntagabend ein paar Leute gefragt, ob sie uns helfen können. Und heute Morgen saßen zwei gefesselte Vergewaltigerschweine in meinem Keller.«
Ich schüttele den Kopf.
»Carla«, sage ich, »ich muss die Polizei rufen.«
»Chastity«, sagt sie, »ich weiß, dass die Aktion hier offiziell nicht so richtig für mich spricht. Vielleicht glauben die mir dann nicht mehr. Ich hab Angst, dass sie die Typen dann wieder laufenlassen. Und du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich die Letzte war, mit der die so was gemacht haben. Das sind brutale Wichser. Die machen das wieder!«
Ich lege ihr die Hände auf die Schultern. Sie fängt an zu zittern, und ich sehe, wie ihr die Tränen in die Augen schießen. Ich nehme sie in den Arm.
»Die kriegen ihre Strafe«, sage ich, »ganz sicher. Und dir passiert nichts. Dafür sorge ich.«
Ich gehe in den Keller, bespreche mit Klatsche und Rocco, was genau wir sagen, und dann rufe ich die zuständigen Kollegen an.
Es dauert eine Weile, bis sie da sind. Ich weiß nicht, ob ich da jetzt von Carla beeinflusst
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