Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
einen Hammer auf den Amboss. An mehreren Stellen spritzten Fontänen in die Höhe. Selbst der Himmel riss auf. Das erste Mal seit beinahe einer Woche sah Bren die Sonne. Mit gleißenden Fingern stieß sie durch die Öffnungen in der Dunkelheit, als wolle sie Spieße aus Licht in das Land bohren, das sich ihr so lange entzogen hatte.
    »Noch eine Welle!«, rief Bren.
    Sie war höher. Viel höher.
    Kiretta fluchte. »Wir müssten ihr den Bug entgegendrehen!«, rief sie. »Aber dazu bleibt keine Zeit! Wir kommen nicht mehr rum! Also lassen wir uns von ihr in den Hintern treten! Da ist es wenigstens weich!«
    Bren fühlte sich tatsächlich wie vom Esel getreten, als die Welle das Heck traf. Die Mordkrake gewann an Geschwindigkeit, die sie auch beibehielt, als das Wasser unter ihr hindurchgerollt war und sie schwankend zurückließ.
    Die Brise wurde zum Sturm. Größtenteils wehte er aus Osten, aber zwischendurch schien er immer wieder die Orientierung zu verlieren, kreiste in Wirbeln, riss an den Segeln, bevor er seine Richtung wiederfand.
    »Mehr kannst du nicht?«, schrie Kiretta. Sie lachte aus vollem Hals, obwohl sie triefnass war. »Mehr nicht? Bisschen schwach geworden auf die alten Tage, was?«
    »Mit wem spricht sie?«, fragte Bren einen Piraten, der sich neben ihm an der Reling festband.
    Er grinste. »Mit Myratis. Kiretta stellt sich die Seegöttin als alte Hure vor, launisch, aber man kann gut mit ihr saufen.« Auch er lachte.
    Das Meer war jetzt so rau, dass ständig Wasser an Deck spritzte, selbst auf Brens Höhe. Bren tat es dem Seemann gleich und band sich fest. Die Mordkrake wurde mal nach steuerbord geworfen, mal nach backbord, aber mit der Küste als Orientierungspunkt schätzte Bren, dass sie Kurs hielten. Ein Brecher traf das Schiff mit solcher Wucht, dass ein Mann über Bord ging. Bren warf ihm ein Tau nach, und das beinahe Unmögliche geschah. Er bekam es zu fassen. »Helft mir ziehen!«, rief Bren.
    Ein Seemann und einer seiner Krieger eilten über die schwankenden Planken heran und fassten mit an. Mit vereinten Kräften zogen sie den Mann an Bord, wo er ausgiebig Wasser erbrach. Bren wurde mulmig bei dem Gedanken, dass er noch immer seine Rüstung trug und sänke wie ein Stein, wenn er über Bord ginge. Aber hier konnte er sie nicht ablegen, ohne davongespült zu werden. Er musste unter Deck.
    Gerade wollte er sich auf den Weg dorthin machen, als ihn ein Anblick im Osten gefangen nahm. Silbriges Glitzern stieg vom Ufer auf. Es blieb unbeeindruckt von aller Gewalt der Elemente. Sturm und Beben konnten die Lebenskraft nicht erfassen, die in einer großen Wolke die Menschen verließ, ein letztes Opfer an ihre Göttin. Zügig strömte die Essenz hinter der Mordkrake her, wurde dabei dunkler. Sie war ein tiefgrauer Schaum, als sie durch die Heckfenster der Kapitänskajüte ins Innere floss. Die geschlossenen Vorhänge behinderten sie nicht.
    Im Osten eroberte die Sonne immer größere Stücke des Himmels. Seine vorherrschende Farbe war jetzt ein sattes Gold, in dem einige dunkle Flecken verloren trieben. Aber der erste Morgen nach Jahrzehnten konnte Brens Verstand kaum erreichen. Er fragte sich, wie viele Jahre Menschenleben gerade jetzt über dem Meer schwebten. Es war wie ein riesiger Teppich, der sich von Osten her bis zum Schiff absenkte. Er wirkte so massiv, als könne man seinen Fuß daraufsetzen. Würde jemand in Tamiod lange genug leben, um die Sonne hoch am Himmel stehen zu sehen? Oder forderte die Schattenherzogin alles von ihren Untertanen?
    Das Schiff ruckte unter Brens Füßen. Im ersten Moment glaubte er, einen Brecher übersehen zu haben, aber so war es nicht. Eine Welle lief durch das Holz, als sei es selbst flüssig. Sie erfasste die Planken, die Reling, die Masten. Protestierend ächzten die Segel unter der unmöglichen Bewegung.
    Irritiert sah Kiretta zu ihm herüber, aber er konnte nur mit den Schultern zucken. Er war kein Magier.
    Eine zweite Welle lief durch das Schiff.
    Dann eine dritte.
    Sie nahmen am Heck ihren Ursprung, in der Kapitänskajüte, bei Lisanne. Dort wurden sie regelmäßig erzeugt, wie ein Pulsschlag. Jede Bewegung ließ das Holz ein wenig dunkler zurück, als fielen tiefe Schatten darauf und zögen darin ein gleich dem Öl, mit dem die Seeleute die Planken behandelten.
    »Was geschieht mit meinem Schiff?«, rief Kiretta über das Heulen des Windes.
    »Es ist nicht länger Euer Schiff«, gab Bren zurück. »Wir sind in Lisannes Welt, und alles darin ist ihr

Weitere Kostenlose Bücher