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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Eigentum.«
    Das Holz kehrte nun nicht mehr in seine ursprüngliche Form zurück, wenn eine Welle es durchlaufen hatte. Lisannes Wille formte es. Das Ruderblatt schwoll hinter dem Heck an. Die Reling wuchs in die Höhe, wie Palisaden.
    »Ich kann sie nicht mehr lenken!«, rief Kiretta.
    Bren löste das Seil, mit dem er sich festgebunden hatte, und stellte sich neben sie, hielt sich am Steuerrad fest. »Lasst gut sein. Es liegt nicht mehr in unserer Hand.«
    Das Holz wurde immer dunkler, schließlich sogar finster, schwärzer als schwarz, als sich die Masten zurückbogen und auf das Deck legten und die Reling so hoch wuchs, dass sie sich schließlich über ihren Köpfen schloss. Dabei schwitzte es die Helligkeit förmlich aus, sodass sie sich in einem von milchigem Schimmern erfüllten Hohlkörper befanden. Bren sah die Verunsicherung auf den Gesichtern der Piraten und vermutete, dass sich seine eigenen Züge nicht wesentlich von den ihrigen unterschieden. Kein Sterblicher gewöhnte sich an das Wirken der Schatten, zu entgegengesetzt war ihre Weisheit allem Lebenden.
    Die Geräusche von Wellen und Böen klangen hohl durch die jetzt vollständig geschlossene Wand. »Wie im Innern einer Flasche«, murmelte Kiretta. Sie musste nicht länger schreien, um sich Gehör zu verschaffen.
    »Machen wir noch Fahrt?«, fragte Bren.
    »Ja, auch wenn ich es mir nicht erklären kann. Ohne Segel und Ruder müsste uns die See wie Treibholz umherwerfen, aber wir halten Kurs und werden auch nicht merklich langsamer. Vermutlich werden wir allmählich ausgleiten. Ich glaube nicht, dass wir es in den Seelennebel hineinschaffen werden, geschweige denn hindurch.«
    Hinter ihnen wurde das Knirschen des Holzes lauter, aber am Heck bewegte sich nichts, soweit sie sehen konnten.
    »Das große Ruder?«
    »Aber wohin drehen wir?«
    Kiretta leckte über ihre Lippen. »Wisst Ihr, woran mich seine Form erinnert hat, bevor es unserem Blick entzogen wurde?«
    »Sagt es mir.«
    »An eine Schwanzflosse.«
    Verdutzt sah Bren sie an. »Ihr meint, Lisanne will uns auf diese Weise durch den …«
    Er verstummte, als überall erschrockene Rufe erschollen. Der Bug kippte steil ab. Bren rutschte weg, konnte sich aber noch festhalten. Kirettas Haken traf beinahe seine Hand, als sie ihn um das Steuerrad schlug.
    »Wollen wir hoffen, dass wir nun wirklich eine Art hölzerner Fisch geworden sind!«, rief Bren.
    Ringsum knirschte das sich bewegende Holz.
    »Wir sinken, und doch sinken wir nicht«, flüsterte Kiretta andächtig. »Wir fahren unter dem Seelennebel hindurch …«
    Bren versuchte zu begreifen, was gerade geschah. Sie befanden sich im Innern eines hölzernen Hohlkörpers, zu dem das Schiff geworden war. Er war vollkommen wasserdicht, und er bewegte sich wie ein Fisch, mit Biegungen seines Körpers und Flossenschlägen. Totes Holz, das größte Geschenk der Götter, das Leben selbst, nachahmend, sich verhaltend wie ein Tier. »Die Macht der Schatten ist endlos«, flüsterte er. »Niemand kann sie ermessen, niemand sie fassen, niemand ihr widerstehen.«
    Das Schiff sank nicht mehr, aber es bewegte sich noch. Bren und Kiretta setzten sich an die Heckwand. Instinktiv legte er den Arm um ihre Schultern. Ihre Muskeln fühlten sich gutan, nicht zu stark, aber kräftig genug, um von einem selbstbestimmten Leben zu zeugen. Sie lehnte den Kopf gegen ihn.
    Die Menschen an Bord konnten nichts tun. Manche gingen umher, andere verhielten sich so ruhig wie Bren und Kiretta. Für einige Seeleute war die Demonstration der finsteren Sphäre zu viel. Sie kauerten sich zusammen, nagten an ihren Fingern, wippten wimmernd vor und zurück. Finsternis löste sich aus der Bordwand, waberte ins Innere hinein, wurde aber zurückgezwungen und vereinte sich wieder mit dem Holz.
    Beständig war das Knacken zu hören.
    Irgendwann kamen Gadior und Velon an Deck. Stumm musterten sie ihre Umgebung. Bren ging zu ihnen und erstattete Meldung darüber, was geschehen war und noch geschah. Sie sagten nichts darauf, schienen die Situation mit Sinnen zu untersuchen, die Bren fremd waren.
    Das Glas, das die Stunden maß, war zu Bruch gegangen, sein Sand zwischen die Planken gerieselt. Da sie keine Sterne sehen konnten, überhaupt nichts außerhalb des Schiffes wahrnahmen außer einem gelegentlichen Schlag, der von einem großen Fisch herrühren mochte oder von den tentakelbewehrten Ungeheuern, die so manches Bild in Seemannstavernen zierten, verloren sie das Gefühl für die verstreichende

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