Knecht – Die Schattenherren II
Da die Gehilfen den direkten Kontakt zu den Untoten übernahmen, war es auch keine gefährliche Profession, wenn man davon absah, dass es reichlich Neider gab, die nicht wählerisch waren, wenn sie eine Möglichkeit sahen, die begehrte Stelle verfügbar zu machen. Einer der vielen Posten in Orgait, die man mit Intrigen und Skrupellosigkeit erlangen konnte, um dann die dunklen Früchte der Hauptstadt zu genießen. Immerhin hatte er den Vorzug, dass er nicht erforderte, den Oberen des Kults die Treue zu schwören.
Wenn sich Monjohr mehr Anerkennung gewünscht hatte, war es ihm nicht anzumerken. Sein Grinsen blieb, als er weiter den Steg entlangzeigte. »Ihr habt den Schattenfürsten zweifellos entdeckt. Bitte entschuldigt mich für einen Moment. Man verlangt Nachschub. Sie sind hungrig heute Nacht.«
Das Schmatzen, das von unten heraufdrang, war nicht zu überhören.
Monjohr und Bren passierten einander. Erst, als Bren Velon beinahe erreicht hatte, erkannte er die Frau, die neben ihm stand. Sie schwenkte einen angefaulten Arm über dem Abgrund hin und her und ließ ihn fallen. In der Rechten hielt sie den Zeremonialstab mit dem Kinderschädel. Ihre Haut war beinahe so bleich wie der Knochen, was durch den Gegensatz zu ihrer schwarzen Robe besonders deutlich wurde.
»Ah, Bren! Da bist du ja!« Beinahe freundschaftlich legte Velon ihm die Hand auf den Oberarm. »Du erinnerst dichsicher an Nachtsucherin Jittara.«
Bren hatte oft genug mit den Mächtigen des Kults zu tun gehabt, um in dem Zittern von Jittaras Brauen die Überraschung seines Gegenübers zu erkennen. »Es ist nicht lange genug her, als dass ich Euch hätte vergessen können«, sagte er.
»Ich bin sehr erfreut, General«, behauptete Jittara, ohne sich jedoch zu bemühen, ihre Stimme über die Temperatur eines beständigen Nordwinds hinaus aufzuwärmen.
»Ihr bewegt Euch weit fort von Karat-Dor.«
»Ich gehe, wohin der Kult mich schickt.«
Und wo die Macht sich so sehr ballt, dass Ihr sicher sein könnt, dass ein wenig davon an Euch kleben bleibt. Bren trug den Flammenschild lange genug, um an dem Prasseln zu hören, dass er aufloderte, auch wenn er es nicht sehen konnte, weil er den Schutz über den Rücken geworfen hatte.
Velon betrachtete die beiden interessiert, als erwarte er, sie würden sich jeden Moment an die Gurgel gehen.
Jittara trat zur Seite, um ihm Zugang zum Futterbehälter zu gewähren. »Es ist kaum noch etwas da. Monjohrholt Nachschub.« Ein Kinderfuß lag verlassen in dem Gitterkorb.
»Nur zu!«, ermunterte Velon ihn. »Tu der Menge den Gefallen!«
Bren fasste das Leichenteil am großen Zeh und trat an das Geländer. Unten balgten sich einige Ghoule um den Arm, den Jittara ihnen zugeworfen hatte, die meisten waren jedoch unmittelbar vor dem Steg versammelt. Bren fand sie noch abstoßender als die Chaque, deren vollkommene Fremdheit Distanz schuf. Bei den Ghoulen dagegen war deutlich erkennbar, dass sie einmal Menschen gewesen waren. Ihre Proportionen waren verformt, die Kiefer monströs vergrößert, die Arme lang und dünn, Hände wie Vorschlaghämmer. Die meisten hatten nur noch einige Haarbüschel oder waren gänzlich kahl, Buckel waren häufig, und immer waren die Augen klein und tief eingesunken. Dennoch ließ sich ahnen, dass sie Bren einmal gar nicht so unähnlich gewesen waren. Jetzt drängten sie sich dort unten, auf ihren Festschmaus hoffend, zogen sich zurück, stießen sich beiseite, stiegen sich auf die Schultern. Die Haut, von der Bren wusste, dass sie bei gutem Licht blaugrün war, schimmerte durch Kleidung, die während der Umwandlung zerrissen war.
Bren ließ den Leichenfuß fallen und wandte sich im gleichen Moment ab.
»Die Fütterung scheint dir kein Vergnügen zu bereiten«, sagte Velon.
Bren zuckte mit den Schultern. »Darauf kommt es auch nicht an. Ich befolge Befehle, gleich, ob ich Freude daran habe.«
»Was sagst du dazu, Jittara? Ist solche Einfachheit nicht eine Gnade?«
»Ich werde darüber meditieren, Schattenfürst.« Devot neigte sie das Haupt.
Velon lachte leise. »Nun, uns scheint die Speise vorläufig ausgegangen. Willst du uns von deinen Bedenken berichten, solange wir auf Nachschub warten?«
»Ich weiß nicht, ob dies der rechte Ort ist, Herr«, gab Jittara zu bedenken.
»Oh, gerade war er es noch. Ist es die Gesellschaft, die dir nicht behagt?«
Jittara tat, als suche sie etwas in der Menge auf den Rängen. Die Zuschauer wirkten gelangweilt, die ersten verließen sogar schon ihre
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