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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Gefolge die Zungen herausgeschnitten. Als Erinnerung musste er sie an einer Kette um den Hals tragen, bis der neue SCHATTENKÖNIG in Orgait einträfe.
    Trotz dieser Mahnung kamen immer neue Gerüchte auf. Die Version, ELIEN habe sich einfach noch nicht entschieden, war zu uninteressant, um viele Anhänger gewinnen zu können.
    Bren war sich der Spione bewusst, die ihm durch die Straßen der Stadt folgten. Vielleicht hätte er doch ein paar Krieger mitnehmen sollen. Andererseits hätte er bei einem Angriff in den nächtlichen Gassen wenigstens ein paar Gegner vor sich, bei denen sein Morgenstern etwas wert wäre.
    Das Pferd schnaubte unter ihm. In gemächlichem Takt klackten die Hufeisen auf das Pflaster. Bei Einbruch der Nachthatte es noch geschneit, aber die Straßen waren sauber gefegt, wenigstens in diesem Viertel. Als Bren die Kathedrale hinter sich ließ und die südlichen Ausläufer erreichte, wo die Häuser in weniger gutem Zustand waren, fanden sich noch einige Wehen.
    Das Südkastell galt bei der Garde als unangenehmster Posten in Orgait. Das lag an der Nachbarschaft zur Festtafel mit ihrem an manchen Tagen erbärmlichem Gestank. Das so bezeichnete Gebäude war so weit südlich errichtet, wie es die Befestigungsanlagen ermöglichten, weil der Wind selten aus dieser Richtung wehte. Offenbar fand gerade ein Schmaus statt, denn Bren stach der widerlich süße Geruch in die Nase, den er vom Abgehen der Schlachtfelder nach einem Sieg kannte, wenn die Leichen moderten. Im Westen galt es als vornehm unter den Osadroi, ihn mit Duftölen maßvoll nachzuahmen. Eine Sitte, die bewies, dass das Denken der Unsterblichen anders als das der Menschen war, zumal Osadroi feinere Sinne hatten als ihre Untertanen.
    Die Festtafel bot mehrere Zugänge. Der Oberbau hatte vier Stockwerke, in denen die Ränge kreisförmig angeordnet waren. Über Treppen waren die Plätze zu erreichen. Die Ghoule kamen durch unterirdische Gänge. Bren gab sein Pferd einem Burschen neben dem prächtigsten Tor, dessen Rahmen wallende Schatten nachahmte, in denen sich Gestalten mit dünnen, langen Armen und monströsen Fängen wanden. Hier betraten die Fütterer die Festtafel. Das Gebäude hatte kein Dach, sodass das Johlen der Menge ungehindert herausdrang. Bren hatte an dem Spektakel niemals etwas Anregendes gefunden und wunderte sich, dass es Velon offenbar gefiel.
    »Ich habe Euch schon erwartet, Herr!«, begrüßte ihn ein Dunkelrufer.
    Die unverhohlene Vorfreude auf seinem Gesicht war Bren ein Rätsel. Er hatte nie Nähe zum Kult empfunden. Auch wenn seine Lehren kaum bestreitbar waren, erschienen Bren seine Zeremonien affektiert. Sie hatten wenig gemein mit dem klaren, einfachen Dienst eines Schwertmanns, wie er ihn lebte. An diesen speziellen Dunkelrufer konnte er sich jedenfalls nicht erinnern. »Wie heißt Ihr?«
    »Attego, Herr. Stets Euer Diener.« Tatsächlich beugte er das Haupt, wie die Kleriker es für gewöhnlich nur bei Osadroi taten. Er klatschte in die Hände, woraufhin sich das Tor öffnete.
    Bren durchquerte den Gang und trat auf den Steg hinaus. Das Geländer war etwas höher als seine Hüfte. Hier, im Innern des Runds, sorgte die Menge für ein beständiges Rauschen, das sich zu einem Tosen steigerte, wenn die Darbietung besonders spektakuläre Momente hervorbrachte.
    Nachdem er so lange mit ihm gereist war, erkannte Bren Velon sofort, obwohl der Osadro am äußersten Ende des Stegs stand, exakt über der Mitte des runden Sandbodens vier Schritt darunter. Eine zweite Person stand neben ihm, aber eine dritte beanspruchte Brens Aufmerksamkeit, indem sie ihm entgegenkam, die Arme vor der Brust kreuzte und sich mit an die Schultern gelegten Händen verbeugte.
    Der Mann mochte dreieinhalb Jahrzehnte gesehen haben. Das Haupthaar hatte er bis auf einen kräftig blonden Zopfgeschoren, der weit über seinen Rücken fiel. Auf diese Pracht schien er stolz, denn die Kupferringe, die er hineingeflochten hatte, schimmerten dicht an dicht. Das Hemd trug eran den Ellbogen geschnürt. »Monjohr Getana«, stellte er sich vor.
    »Ihr seid der Ghoulmeister«, sagte Bren.
    »Eben der, General Stonner.« Sein Grinsen offenbarte sorgsam gefeilte Zähne.
    Bren nickte. »Ein ehrenhafter Beruf.« Er hoffte, dass seine Zweifel an dieser Aussage nicht zu deutlich zu hören waren. Es erforderte keine besonders edlen Talente, Ghoulmeister zu sein, und wohl auch keine Selbstzucht, wie der Kugelbauch an dem ansonsten eher schwächlich wirkenden Körper bewies.

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