Knecht – Die Schattenherren II
wieder über seine Schulter legte. Die Gardisten behielten ihre Schwerter in den Händen, senkten sie aber.
»So erfüllen wir alle unsere Aufgabe zum Ruhm der Schatten«, rezitierte Bren versöhnlich.
Jittara schien ihre Begegnung nun rasch hinter sich bringen zu wollen. »Wenn Ihr Schattengraf Gadior sucht, müsst Ihr Euch nach Osten wenden. Er ist in Guardaja.«
»Sicher werdet Ihr uns einen Führer mitgeben?«
»Gern. Darf man erfahren, welcher Schattenherr mit Euch reist? Ich sah den Schlitten.«
»Gut, dass Ihr mich daran erinnert. Wir werden die Kufen durch Räder ersetzen müssen. So weit im Süden kommt man damit leichter voran.«
»Darum werdet Ihr Euch sicher selbst kümmern können. Ich habe zu tun. Die Dämmerung naht, Ihr versteht.«
Bren neigte den Kopf. »Schattenfürst Velon.«
»Wie meinen?«
»Schattenfürst Velon führt unsere Expedition.«
Sie hob die Brauen. »Ich bin erfreut, einen Schattenfürsten in Karat-Dor zu wissen.«
»Eine Freude von kurzer Dauer. Wir haben es eilig.«
»Aber doch nicht so eilig, hoffe ich, dass es dem Schattenfürsten verwehrt wäre, an der Zeremonie dieser Nacht teilzunehmen? Die neuen Seelenbrecher stünden auf ewig in seiner Schuld. Und Ihr hättet natürlich auch einen der besten Plätze.« Ohne das vorherige Gespräch hätte er ihr Lächeln als Ausdruck echter Zuneigung fehldeuten können.
»Ich fürchte, wir haben es wirklich eilig.«
»Was immer Euch antreibt, kann doch unmöglich so dringend sein, dass Ihr dem Schattenfürsten das Vergnügen einiger Stunden bei einem herausragenden Ritus des Kults verwehren würdet?«
»Dieser Gedanke käme mir tatsächlich nicht. Aber ich bin auch nicht der SCHATTENKÖNIG .«
»Der …« Es war schön, zu sehen, wie sie um Fassung rang. Natürlich fragte sich Jittara in diesem Moment, welche Mission ELIEN VITAN so weit von Orgait entfernt befohlen haben könnte. Noch hatte ER die Schattenherzöge nicht gerufen. Noch wusste niemand vom bevorstehenden Thronwechsel.
Und vielleicht war es gut, wenn das noch eine Weile so bliebe. Deswegen lenkte Bren ein. »Die Entscheidung ist natürlich nicht die meinige. Ich werde Schattenfürst Velon Eure Einladung übermitteln.«
»Seid so freundlich und sagt ihm, dass wir ausgesprochen exquisite Essenz geerntet haben, die wir ihm gern anbieten werden.« Das Schwanken in ihrer Stimme verriet, dass sie sich noch nicht wieder gefangen hatte.
Bren fragte sich, was die Nachtsucherin unter ›exquisiterEssenz‹ verstehen mochte. Die Osadroi fanden meist die Lebenskraft von Kindern besonders schmackhaft, vor allem dann, wenn diese von außerhalb Ondriens kamen. Man sagte, ihre Gefühle seien stärker, wenn sie die Last der Schatten nie gespürt hätten. Vielleicht meinte Jittara auch die Art, wie sie geerntet worden war. Hingabe, Lust und Furcht waren die üblichen Wege, aber es gab auch seltener benutzte Möglichkeiten. In Orgait wurden Kristalle hoch gehandelt, in die die Lebenskraft über Mitleid geflossen war. Baron Urreloff war besonders geschickt darin. Er hatte ein ganzes Dorf von der Außenwelt isoliert und eine Dunkelruferin dort postiert, die es irgendwie schaffte, dass die Bewohner der am zentralen Platz aufgestellten Statue des Osadro Mitleid entgegenbrachten. Ein Faszinosum in der Welt der Osadroi. Man munkelte, es gäbe in diesem Dorf genug Legenden, um einen Folianten damit zu füllen, die vom selbstlosen Leiden Baron Urreloffs heuchelten, und sie würden in jeder Abenddämmerung so emphatisch vorgetragen, dass sie die Zuhörer zu Tränen rührten. Und zwar in einem Ausmaß, das es ermöglichte, ihre Lebenskraft zu ernten. Sie siechten dahin, anscheinend freiwillig, um ihre Essenz zu geben, an der sich dann auf den rauschenden Bällen am Hof des SCHATTENKÖNIGS die Unsterblichen betranken. Sicher trug auch dazu bei, dass sich die Statue in Qualen wand, wenn die Pein des Schattenbarons ausgebreitet wurde. Bren verstand wenig von diesen Dingen. Die Erklärung, dass Geister das Standbild beseelten, schien ihm die glaubwürdigste. Geister, die allerdings kaum freiwillig litten, wie Urreloff es den Geschichten zufolge tat, sondern wohl gefoltert wurden, um den Schmerz auf dem steinernen Antlitz möglichst herzerweichend darzustellen.
»Euer Angebot wird den Schattenfürsten bestimmt freuen«, sagte Bren.
Nach den zwei Wochen Reise wären auch seine Krieger froh, für eine Nacht und vielleicht sogar den darauffolgenden Tag aus dem Sattel zu kommen.
Es gab Dinge, an
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