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Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
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Osadro die Lebenskraft eines Menschen rief, konnten die damit verbundenen Gefühlsaufwallungen eine Sehnsucht wecken, von der der Betroffene niemals etwas geahnt hatte. So mochte es auch für den Mann neben dem Wandteppich sein, denn er wirkte weder ängstlich noch apathisch, und das, obwohl beide Osadroi zu Beginn der Nacht von ihm genommen hatten. Velon war zu sehr auf gute Umgangsformen bedacht, als dass er ein solches Angebot ausgeschlagen hätte.
    »Darf ich nun erfahren, was Euch hierherführt?«, fragteGadior und bot damit an, den Vorhang hinter dem Akt der höflichen Floskeln zu senken.
    »Gerne, doch ist dies eine Sache nur für uns drei.« Lächelnd legte Velon seine Hand an die Schulter des Mannes. »Nicht, dass ich ihm misstrauen würde, aber wir wollen ihn nicht mit Dingen belasten, die seinen einfachen Verstand überfordern könnten.«
    Der Mann wirkte enttäuscht, als er den Raum verließ.
    Gadior setzte sich in den Sessel an dem runden Tisch und rückte den dreiarmigen Leuchter einen Zoll zur Seite. »Ich bin begierig, zu erfahren, was mir die Ehre Eures Besuchs an der Südgrenze des Reiches verschafft, Schattenfürst, und werde Euch gern zu Diensten sein.«
    »Unsere Mission ist in der Tat außergewöhnlich.« Velon zog ein doppelt gefaltetes, schwarzes Pergament aus einer Innentasche über seinem Herzen und reichte es Gadior, der wohl ahnte, wer der Verfasser war, und es so vorsichtig entgegennahm, als fürchte er, es allein durch seine Berührung zu beschädigen. »Lest dies, damit Ihr wisst, in wessen Auftrag wir reisen.«
    Gadior faltete das Blatt auseinander, drückte das unten angebrachte Siegel gegen seine Stirn und murmelte etwas. Rauchfäden stiegen vom Pergament auf und hinterließen eine blutrote Schrift. Gadiors helle Augen huschten über die Zeilen, dann sah er auf. Seine Lippen formten die Worte stumm, bevor das erste hörbar wurde. »Lisanne.« Als er den Klang des verbotenen Namens aus seinem eigenen Mund hörte, zuckte Gadior zusammen. Sein Blick hastete zu Bren, um sofort zu Velon zurückzukehren.
    Der Fürst nickte. »So ist es. Ihr wisst, was das bedeutet.«
    Gadior blinzelte. »Thronwechsel.«
    »Ja.«
    Gadior stand auf. Er besann sich auf das Schreiben in seiner Hand, dessen Buchstaben schon wieder verdunkelten, faltete es zusammen und legte es auf den Tisch. » ELIEN VITANS Herrschaft endet«, murmelte er. »Ein neues Zeitalter bricht an.«
    »Besser kann es niemand beschreiben.«
    Bren beobachtete, wie Gadior auf und ab ging. Velon ließ ihm Zeit, seiner Aufregung Herr zu werden. Abgesehen von Gadiors Schritten war das Knacken des Holzes im Kamin das einzige Geräusch. Auch die Unholde im Tal waren ruhig.
    Schließlich blieb Gadior hinter seinem Sessel stehen und legte die Hände um die Lehne, als könne er daran Halt finden. »Lisanne ist noch immer eine Schattenherzogin. Trotz allem.«
    »Das ist sie. Deswegen muss sie zugegen sein. Aber der Ruf des SCHATTENKÖNIGS vermag sie nicht zu erreichen.«
    »Ist das so?« Gadiors Blick schien sich nach innen zu richten, als er nochmals murmelte: »Ist das so?«
    »Wisst Ihr, wo sie sich aufhält?«
    Als er nicht reagierte, sagte Bren etwas lauter, als Velon gesprochen hatte: »Schattengraf?«
    Gadior blinzelte. »Es ist vier Jahrzehnte her, seit ich sie das letzte Mal sah.« Er sprach wie jemand, der gerade aus einem Traum erwachte. »Der Silberkrieg war noch nicht gewonnen, die Milirier hatten eine neue Offensive gestartet. Sie zehrten noch immer von dem Triumph, den sie eine Dekade zuvor errungen hatten. Genau hier, in Guardaja. Wir hatten frische Truppen ausgehoben und ich wollte Lisanne unsere Bereitschaft melden. Sie empfing mich in einem Palast in Corella, nicht weit von hier. Sie sagte mir, ich solle den Feldzug allein führen.«
    »Das hat Euch zum Schattengrafen gemacht«, stellte Bren fest.
    Gadior fixierte ihn. »Du hast die Vergangenheit gründlich studiert.«
    »Die wichtigen Schlachten«, schränkte Bren ein. »Ein Feldherr muss wissen, wie ein Krieg geführt wird.«
    Gadior nickte abwesend. Seine Gedanken waren schon zu Lisanne zurückgekehrt. »Sie war … sie ist so schön, dass Sterblichen bei ihrem Anblick das Herz stockt, und auch Unsterbliche nimmt sie gefangen. Ich habe ihren Befehl gut ausgeführt, denke ich, denn du hast recht. Vor dem Silberkrieg war ich ein Schattenbaron, und erst meine Taten an seinem Ende trugen mir ein, was ich heute bin. Aber wenn ich die Wahl gehabt hätte, wäre sie nicht gegangen.

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