Knecht – Die Schattenherren II
versucht wurde. Und sie tun es gemeinsam mit Alenias.«
»Dem Fayé?«
Bren nickte. »Die Aussicht, in den Seelennebel zu fahren, hat seine Lebensgeister geweckt. Ich weiß nicht, ob er hier draußen Dämonen rufen kann, aber er ist alt. Ich denke, er versteht sich auf das, was er tut.«
»Wie beruhigend.«
»Vergesst nicht, dass Ihr selbst verschuldet habt, was Eurer Stadt geschehen ist.«
Freudlos sah sie über die Häuser. Viele von ihnen rauchten noch immer.
Gewohnheit ist mächtig, dachte Bren. Sie trägt weiterhin helles Puder auf der Haut, ahmt die Osadroi nach, wie so viele Edle es tun. Trotz des Leids, das wir ihrer Stadt gebracht haben und noch bringen werden.
»Mich wundert, dass Ihr eine Mannschaft gefunden habt, die mit Euch segelt.«
»Ihr würdet Euch noch mehr wundern, wenn Ihr wüsstet, dass sie nur aus Freiwilligen besteht. Piraten folgen dem Stärksten, und mein Duell heute scheint viele beeindrucktzu haben. Nun ja, Kirettas Rede von Schätzen, die nochkein Mensch gesehen hat, hat sicher auch ihren Teil dazugetan.«
»Das ist die vorlaute Navigatorin?«
»Die Navigatorin, die ihren Wert kennt«, korrigierte Bren.
Am Steg fielen wieder zwei leblose Körper ins Wasser. Die Nächsten traten vor. Die ondrischen Krieger waren damit beschäftigt, die Menge im Fluss zu halten, der Strom der Essenz sollte nicht versiegen. Die meisten dort unten waren klug genug, sich gegen das Kommende zu wehren, aber keiner von ihnen hatte die Kraft, sich auf Dauer den Schlägen zu widersetzen. Gleich, ob sie am Ende aufrecht standen oder auf allen vieren gekrochen kamen, die Schattenherren riefen nach ihrem Leben, das sie daraufhin als silbriger Schwall verließ und auf der Strecke zum Schiff zu einer dunklen Wolke wurde. Die Leichen schwammen schon so dicht, dass es aussah, als könne man auf ihnen wie auf einem Floß von der Mordkrake zum Ufer gehen.
»Wenn wir einen Dunkelrufer hätten, wäre es einfacher.«
»Was soll das sein?«
»Ihr würdet sie wohl Priester nennen, aber sie beten keine Götter an, sondern dienen den Schatten im Kult. Dort bekleiden sie einen speziellen Rang. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Essenz zu ernten. Sie könnten dafür sorgen, dass wenig verloren ginge. Da wir keinen haben, ziehen die Osadroidie Lebenskraft selbst aus den Opfern. Dabei wird viel verschwendet.«
Nerate stützte sich auf dem Fenstersims ab. »Was soll nur aus Ejabon werden?«, flüsterte sie.
»Wie lange dauert es noch, bis die Sklaven aus den Minen eintreffen?«
»Ihr könnt es wohl nicht erwarten?«
»Ich glaube, auch Ihr wäret froh, wenn sie kämen. Der Platz am Ufer leert sich. Ich weiß nicht, ob Ihr in der Stadt noch ein paar Sklaven findet oder nicht. Aber eines verspreche ich Euch: Ob mit oder ohne Sklaven, die Essenz wird nicht versiegen. Nicht einmal für einen Wimpernschlag.«
Nerate schluckte, als sie begriff, dass auch freie Bürger Lebenskraft zu geben hatten, wenn die Unfreien knapp wurden.
Alenias zitterte weder vor Kälte noch vor Furcht. Es war Erwartung, vielleicht sogar Sehnsucht, die seinen Körper beben ließ, während er im Bug der Mordkrake stand. Die Schattenherren hatten sich vor Tagesanbruch in die Kutsche unter Deck zurückgezogen. Die Sonne leuchtete inzwischen durch den Seelennebel, aber auf Deck wurde es dennoch nicht hell. Das Schiff näherte sich dem weißen Wallen, umgeben von dunklen Schwaden, als trüge es ein Stück des Nebellands mit sich. Dies war der Schutzschild, den die Osadroi und der Fayé gemeinsam geschaffen hatten. Er hatte beinahe alle Haussklaven Ejabons das Leben gekostet, die Kraft von mehr als dreihundert Menschen war in ihn geflossen. Die Schwaden zogen mit dem Schiff, als seien sie gleich einer Glocke darum befestigt, die sich auch unter Wasser fortsetzte, den Wellen aber keinen Widerstand bot. Wesenheiten trieben darin, die Alenias gerufen haben mochte. Die meisten waren menschenähnlich, aber gehörnt oder mit Reißzähnen und Klauen bewaffnet. Sie waren nicht immer auf gleiche Weise in der Wirklichkeit präsent, sie verdichteten sich wie Rauch in dem dunklen Nebel, wirkten manchmal so fest, dass man sie berühren könnte, starrten aus geschlitzten Pupillen auf die Besatzung, um dann wieder zu verwischen.
Kiretta stand selbst am Steuerrad. Bren sah, dass die Kompassnadel gerade nach links zeigte, oder nach backbord, wie die Seeleute sagten. Ejabon, die glücklose Insel, lag steuerbord achtern. Die See war bislang so ruhig gewesen wie die
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