Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knecht – Die Schattenherren II

Knecht – Die Schattenherren II

Titel: Knecht – Die Schattenherren II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
Seufzen, dessen Ursprung in seinem eigenen Kopf war, knapp unter der Schädeldecke.
    Er griff an seinen Morgenstern, obwohl er wusste, dass diese Waffe ihm jetzt nicht helfen würde. Unbeirrt setzte er einen Fuß vor den anderen, bis er neben Alenias stand.
    »Wie fühlt es sich an, am Ziel Eurer Reise angekommen zu sein?«, fragte er.
    Der Fayé drehte den Kopf, bis die purpurnen Nebel, die ihm die Augen ersetzten, auf Bren gerichtet waren. »Fort mit Euch, Sterblicher«, sagte er. Damit wandte er sich wieder dem Geschehen vor dem Bug zu.
    Bren versuchte, zu verstehen, was es bedeutete, nach einem tausendjährigen Leben etwas zu finden, was ihm neuen Sinn gab. Am Ende unzähliger Hoffnungen, vergeblichen Strebens, hinter Siegespreisen, die mit der Zeit schal geworden waren, nach jahrhundertelangem Ringen mit dem Nachtschattenwald, der schon längst nicht mehr freiwillig gab, was das Volk der Fayé begehrte … nach alldem – der Seelennebel. Das unbekannte Land. Das Reich der Fortgegangenen, der Zurückgewiesenen, jener, die sich nach dem Leben sehnten und den Tod nicht fanden. Hatten sie neue Antworten? Alenias glaubte es, musste es glauben. Was, wenn er enttäuscht würde? Wäre das eine Wunde mehr, als er empfangen könnte? Würde dies seine Seele verwischen wie die Nebelfetzen, die rund um das Schiff vergingen?
    Es war nicht Brens Angelegenheit. Er wandte sich ab.
    Noch immer lag das Schiff ruhig, wobei es beständige Fahrt machte. Auch hinter dem Heck hatten sich jetzt die weißen Schwaden des Seelennebels geschlossen. War der dunkle Schild zu Beginn ihrer Fahrt ein halbwegs gleichmäßiges Gebilde gewesen, wie der Korpus einer Flasche, so war er jetzt in ständiger Bewegung, lag im Streit mit seinem weißen Gegner. An manchen Stellen berührte er beinahe die Bordwand, während er am Bug Raum voraus erkämpfte. Viele der dunklen Gestalten trieben nun beinahe als feste Körper in ihm, schlugen weit ausgeholte Hiebe in die Masse ihrer Feinde, die nur als Gesichter zu sehen waren.
    Mit gespenstischer Langsamkeit bohrte sich ein weißer Zapfen durch den Schild. Er war wie die Nadel eines Riesen, die durch Leder stach, das sich erst dehnte, um schließlich doch zum Nachgeben gezwungen zu werden. Nachdem Bren die Welt außerhalb des Schiffs so lange durch den dunklen Schleier gesehen hatte, blendete ihn das ungefilterte Weiß. In sich war es in ständiger Bewegung, aber seine Gestalt als Ganzes wirkte fest wie ein Dorn an Brens Morgenstern. Ohne Hast, aber unaufhaltsam streckte es sich zum Deck herunter. Die Planken schienen ihm keinen Widerstand entgegenzusetzen. Sie wurden durch sein Eindringen nicht beschädigt, verlangsamten den Dorn aber auch nicht. Bren verstand kaum etwas vonmystischen Gesetzmäßigkeiten, aber er vermutete die Ursache dafür darin, dass Schild und Dorn zur Geisterwelt gehörten, die Schiffsplanken dagegen zur greifbaren Wirklichkeit. Der Dorn schob sich also durch das Holz, hinunter in den Laderaum. Dort waren die Hängematten der Krieger aufgespannt, die sich aber ohnehin alle auf Deck befanden. Nur die lodernden Augen der Schattenrosse würde der Dorn finden.
    Bren wollte schon beruhigt Befehl geben, sich von der knochenweißen Erscheinung fernzuhalten. Der menschliche Geist war der Welt des Mystischen zugänglich, also wäre ein Kontakt mit dem Dorn gefährlicher für Mannschaft und Krieger als für tote Holzplanken. Besser, diese Waffe des Feindes bohrte sich unbehelligt in den verlassenen Laderaum, wo sie keinen Schaden anrichten konnte. Er setzte zu einem Ruf an, als ihm mit einem Schlag einfiel, dass dort unten doch noch jemand war. Die Osadroi in ihrer festgekeilten Kutsche! Velon undGadior befanden sich in ihrem Tagschlaf, starr, bewegungsunfähig! Der Feind zielte auf das Herz ihrer Expedition. In der stofflichen Welt konnte den Schattenherren kaum etwas anderes als Silber gefährlich werden, aber die Wirklichkeit der Geister folgte anderen Gesetzen.
    »Haltet es auf!«, rief Bren und stürzte zu dem Dorn, ohne zu wissen, was er tun konnte. Seine Krieger folgten ihm, zögerten aber ebenso wie er. Immer weiter bohrte sich das Weiß durch die Planken. Über ihnen, wo es durch den Schild stieß, verbreiterte es beständig die Öffnung. Wie der Stachel eines Rabenschnabels, der absurd langsam durch den Panzer eines Ritters schlug.
    Bren schwang seinen Morgenstern gegen die Erscheinung. Er hätte ebenso gut eine Nebelwand angreifen können.
    »Hier richten wir nichts aus!«, rief er.

Weitere Kostenlose Bücher