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Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)

Titel: Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Arbeit abgeschlagen«, hatte Jupp mir erläutert. Die Löcher wurden mit Blei abgedichtet. Da im Wald jede Menge Schrapnellkugeln herumlagen, wurden Kinder losgeschickt, um diese einzusammeln, damit sie eingeschmolzen werden konnten. Natürlich zogen nur die kleineren Kinder los, jene, die von den Erwachsenen noch nicht zum Kaffeeschmuggel über die verminten Felder gescheucht wurden. Ohne den Beitrag der gerade noch minderjährigen Schmuggler wäre es mit dem Wiederaufbau der Westeifel nicht so flott vorangegangen. Wenn diese Kinder Zöllnern in die Hände fielen, konnten sie juristisch nicht belangt werden, dafür aber sofort wieder die Arbeit aufnehmen.
    Das waren die wirklich kriminellen Zeiten.
    »Wir sind ganz bestimmt rechtzeitig zur Skisaison wieder hier«, verspricht Hein und katapultiert mich damit zurück in eine Gegenwart, aus der wir Gewinn ziehen, wenn im Verkehrsbericht von Schneechaos die Rede ist.
    »Ja, aber was wird jetzt aus deiner Partnersuche für Regine? Soll ich die etwa übernehmen?«
    »Kümmert sich Gudrun weiter drum«, erklärt er mit schiefem Grinsen. »Lässt die Kerle nacheinander in die Einkehr kommen. Der Erste soll morgen Abend auftauchen. Das mit dem Krimidinner war wirklich eine blöde Idee. Ich dachte nur daran, wie schön es wäre, wenn wir den Laden einmal so richtig voll kriegen könnten.«
    »Jetzt kriegen wir ihn dank Herrn Kerschenbach einmal in der Woche voll«, winke ich ab. »Morgen Mittag kommt er mit einer neuen Gruppe Kaffeefahrer.«
    Für die ich diesmal meinen speziellen falschen Hasen aus Lammhack vorbereiten werde. Mir ist sehr wohl bewusst, welch ein Risiko ich damit eingehe. Nicht jedermann schätzt auf seinem Teller hervorragend verarbeitete Teile eines gehäuteten Wolllieferanten. Aber ich sehe es als meine Mission an, Menschen ihrer vertrauten Alltagsküche zu entreißen und sie an Ungewohntes heranzuführen. Der Mensch lernt, solang er lebt. Üblicherweise endet beides gleichzeitig. Außer, wenn man dem Buddhismus anhängt, aber das ist in dieser Ecke eher unüblich.
    Zum Auftakt werde ich also winzige Hackbällchen herumreichen, damit sich alle davon überzeugen können, dass hier keine Erinnerungen an alte Hammel aufgewärmt werden.
    Nachdem ich die beiden Griechenlandurlauber mit guten Wünschen verabschiedet habe, begebe ich mich mit Linus ins Restaurant.
    Ich genieße das Alleinsein. Gudrun und David sind zum Einkaufen nach Jünkerath gefahren, und Regine hat sich bei der türkischen Friseurin in Stadtkyll angemeldet, die das Rot auf ihrem Kopf noch intensiver zum Leuchten und ihre Augenbrauen in die rechte Form bringen soll.
    Ich stelle das Radio an. Wie schön, nicht über die Auswahl des Senders diskutieren zu müssen! Ich bin älter als meine Mitarbeiter und habe Ende der Neunziger aufgehört, mich für die Charts zu interessieren. Aber bei unseren Auseinandersetzungen um die Frequenzen geht es nicht um den jeweiligen Musikgeschmack, sondern um die regionale Herkunft der internationalen Einheitskost. Die Staats- und Landesgrenzen, die von irgendwelchen Regierungen willkürlich durch unsere winzige Ortschaft gezogen wurden, haben auch den Äther geteilt. Gudrun besteht auf dem SWR, weil ihr da zwischen Klangbeiträgen häppchenweise serviert wird, was in ihrem Heimatland Rheinland-Pfalz los ist. Mir geht das Gedudel, das ihr so gute Laune verschafft, unglaublich auf den Senkel. Genau wie die Musik im WDR, von der ich mich berieseln lassen muss, wenn Jupp oder Hein bei mir Arbeiten verrichtet. Meine Bitte, wenn schon WDR, dann bitte das fünfte Programm mit den interessanten Wortbeiträgen, wird von allen empört zurückgewiesen: »Da läuft doch nur langweiliges Gequatsche!« Froh, zumindest nicht WDR 4 ertragen zu müssen, plädiere ich als Neubelgierin für den Belgischen Rundfunk, das Programm der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Aber dann stöhnen alle anderen auf und verdrehen die Augen: »Wen interessiert schon Eupen!«
    Im Takt zu Gilbert Bécauds Chanson Nathalie, der gerade im BRF läuft, wiege ich mich in den Knien und verknete versonnen die Gewürze im Hack. Plötzlich klopft es laut gegen die offene Küchentür. Zum Glück habe ich gerade kein Messer in der Hand.
    »Mein Gott, haben Sie mich erschreckt!«, fahre ich Hermann Kerschenbach an.
    »Entschuldigung.« Er errötet unter seinem grauen Schopf, legt einen großen Strauß Herbstblumen auf die Anrichte und kratzt sichtlich verlegen sein Zwillingsgrübchen. »Die Haustür war offen, und

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