Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
ihr ein Glas Begnadigungssekt ein und hört mit leuchtenden Augen zu, wie es vor über einem halben Jahrhundert um die Liebe in der Westeifel gestanden hat.
»Eine goldene Kette wäre auch schön«, sagt sie mit einem Seitenblick zu David, als Petronella geendet hat.
An die David endlich gelegt werden soll. Schließlich hatte Hermann seiner Regine auch eine Kette zur Verlobung geschenkt.
Aus Rücksicht auf Davids Unbehagen wechsele ich das Thema und schlage Perings vor, eine neue Matratze zu kaufen. Für ihn sei das nicht mehr nötig, wehrt er ab, da er auch die nächsten Nächte bei Frau Schröder verbringen wolle.
Gudrun wirft mir einen triumphierenden Blick zu.
»Vielleicht ziehe ich sogar ganz in die Eifel zurück«, sagt der alte Herr und streichelt die Hand der Krewinklerin.
»Wie komisch«, sinniert Petronella Schröder, »jetzt hat mir mein Medalljong doch noch Glück gebracht. Weil ich es nicht mehr habe. Das Medalljong, meine ich.«
Hein schlägt vor, eine Zeichnung des Schmuckstücks anzufertigen und im Internet zu verbreiten. »Vielleicht kann man so doch noch auf die Spur des Mörders kommen.«
»Der hat es bestimmt schon vor Jahrzehnten versetzt«, sagt Perings.
»Man muss nicht Medaillon finden, sondern Grund für den Mord«, sagt David. »Vielleicht war nicht der Briefträger der Grund, sondern dein Bruder Siegfried.«
»Jemand, der wütend auf ihn war und wusste, dass er in ein leeres Haus kommen würde!«, ruft Gudrun aufgeregt, und dann werden alle Theorien hin und her gewälzt, die schon Wochen zuvor allesamt verworfen worden sind.
Ich höre bestürzt zu, wie wichtig ein Mord vor so langer Zeit war und wie wenig erwähnenswert jener, der erst gestern in meinem Haus verübt worden ist. An einer Freundin von uns allen. Wie dankbar jeder der Anwesenden zu sein scheint, dem Thema des Mordes an unserer Freundin ausweichen zu können.
Für mich macht das jeden Einzelnen verdächtig, ob ich das nun will oder nicht. Einer von uns muss es gewesen sein. Und ich weiß nur, dass ich es nicht war.
»Und jetzt ist es wieder geschehen«, sagt schließlich ausgerechnet Jakob Perings. »An genau derselben Stelle.«
Womöglich mit genau derselben Tatwaffe?
Die Erkenntnis trifft mich wie ein Urknall: Nach dem Knochenfund hatte der Gerichtsmediziner aus Lüttich von einer kleinen Bratpfanne gesprochen. Täte es auch ein großes Waffeleisen? Eines, das über ein halbes Jahrhundert lang auf dem Dachboden meines Hauses gelagert hat? Zugeklappt etwa vierzehn mal siebzehn Zentimeter groß, mit einem langen Stiel? Ich schicke sofort eine SMS an Marcel.
»Was tust du?«, fragt David.
»Am Anfang war die Welt nur so groß wie ein Gedanke«, zitiere jetzt ich und wende mich an Jakob: »Vielleicht ist Euer Bruder sogar auf dieselbe Weise zu Tode gekommen wie Regine.«
Den Respekt gebietenden Herrn zu ihrzen fällt mir tatsächlich erheblich leichter, als ihn vertraulich anzusprechen.
»Ja, das ist alles so furchtbar unerfreulich!«, sagt Gudrun und legt demonstrativ die Hand auf den Bauch.
Petronella Schröder beugt sich zu ihr hin und berührt ihre Hand. »Schon einen Namen?«, fragt sie flüsternd.
Wieder dieses Ausweichen. Bloß nicht über Regines Tod reden. Hat Frau Schröder bisher überhaupt grandios vermieden. Was man ihr angesichts ihres späten Glücks wohl nachsehen sollte.
Gudrun hebt die Schultern und blickt David fragend an.
»Das Waffeleisen …«, setze ich nach.
Jakob Perings stellt sein halb volles Sektglas ab. »Ich packe dann mal meine Sachen.«
»Ja, Eure Fotos«, sage ich, weil ihm ja wirklich nicht viel zu packen bleibt. Es sei denn, er will Petronella Schröder auch mit seinen diversen Reinigungs-, Möbel- und Bodenpflegemitteln so beglücken wie mich.
»Hast du sie dir angeschaut?«
»Nein. Ich habe mich nur gefragt, wo die Rahmen hergekommen sind.«
»Aus Sankt Vith. Ich habe die Bilder so lange in meiner Brieftasche mit mir rumgetragen; es wurde Zeit, ihnen ein ordentliches Zuhause zu geben. Vor allem jetzt, weil ich wieder zurück bin.«
»Und wer ist darauf?«
»Meine Familie«, sagt Jakob und strebt zur Tür. »Moment mal.«
Er kehrt mit den verblichenen Fotos im Silberrahmen zurück.
Pflichtschuldig betrachten wir uns die vier abgebildeten Menschen. Und dann sehen wir fünf, David, Hein, Jupp, Gudrun und ich, einander entsetzt an.
Jupp tippt mit einem großen Finger auf einen Kopf.
»Das ist doch …«, sagt er fassungslos.
»Mein Vater«, sagt Jakob Perings.
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