Knochen im Kehricht: Ein Eifel-Krimi (German Edition)
Wegen Mangel an anderen Freizeitangeboten. Aber Hermann ist nicht einmal in der Eifel geboren, stell dir mal vor. Und dem alten Perings kannst du ihn nicht anhängen. Der ist nämlich viele Jahre vor Hermanns Geburt gestorben.«
»Aber vielleicht kann das irgendwie mit dem Tod von Jakobs Bruder zu tun haben.«
»Quatsch. Hermann war damals noch ein kleiner Panzpitter. Außerdem ist das ein ganz anderer Fall.«
»Aber auch ein ungelöster«, sagte ich und kappte die Verbindung, weil ich doch nichts mehr erfahren würde.
Und Daniel in meinem Haus später auch nicht mehr sagen konnte. Der Junge ließ sich auf dem Sofa nieder, auf dem Hermann mit Regine vor einer Woche gesessen hatte, und streichelte Linus, der ihm den Kopf auf den Schoß gelegt hatte.
»Wen hast du in Verdacht?«, fragte er geradeheraus.
Eine verzwickte Frage. Alle und niemanden , hätte ich gern geantwortet, aber ich hob nur die Schultern.
»Sagen wir mal, es war ein Fremder«, fuhr Daniel fort. »Der hier einbrechen wollte. Meine Mutter stört ihn. Wieso ist sie überhaupt in deinem Haus?«
Ich berichtete von Nicolina.
Ein trauriges Lächeln spielte um seine Lippen. »Das ist so schön zu hören. Ich muss diese Gans unbedingt kennenlernen. Ganz früher mal hat meine Mutter Gänse geschlachtet. Im Akkord.«
Ich erschrak. Darüber, dass ich so wenig von Regine wusste. Von diesem Arbeitsplatz hat sie uns nie erzählt.
»Sie hat es gehasst. Aber sie musste Geld verdienen. Und hat sich von dem Job und ihrem Chef kaputt machen lassen. Vielleicht wollte sie es ihm irgendwie heimzahlen? Und der hat zugeschlagen?«
Ich muss ein sehr dummes Gesicht gemacht haben. Daniel lächelte mich an. »Womöglich habt ihr alle bisher die falschen Fragen gestellt. Dann könnt ihr natürlich auch nicht die richtigen Antworten kriegen.«
Er stand auf, stellte sich wieder vor das Loch in der Wand, hob einen Arm und erklärte: »Ich werde den Mörder meiner Mutter finden. I swear to God. «
Und dann krümelte er weinend zusammen.
Linus jaulte auf und sprang zu ihm hin.
Ich ließ die beiden allein. Der Hund würde den Jungen viel besser trösten können als ich.
Wie in Trance wanderte ich durch mein Haus. Es wirkte auf mich genauso fremd wie bei meiner Ankunft auf der Kehr vor vielen Jahren, aber gleichzeitig war es mir unendlich vertraut. Die erste wirkliche Heimstätte, die ich je in meinem Leben gekannt habe.
Doch unter diesem Dach sind Menschen ermordet worden. Die Wände haben das Böse in sich aufgesogen und könnten es jetzt nach und nach wieder an die Umwelt abgeben.
Ich ging durch die alte Melkküche, das ehemalige Arbeitszimmer meines Bruders, und öffnete die Hintertür, durch die Regine so oft gegangen war, um Nicolina zu versorgen. Der eingeschneite Whirlpool gurgelte vor sich hin. Ich muss das Ding ausstellen, dachte ich und stapfte hinüber. Der Meter Schnee auf dem Deckel machte ihn zum Anheben zu schwer. Aber nichts erschien mir in diesem Augenblick wichtiger, als meinem Jacques Uhsi das in der stillen Landschaft unanständig klingende mechanische Rödeln abzuwürgen. Ich holte eine Schaufel und machte mich an die Arbeit.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte Daniel, als ich später ins Wohnzimmer zurückkehrte. Er lag immer noch mit Linus auf dem Boden.
Ich schüttelte die Reste des Schnees von mir ab.
»Komm, lass uns zurückgehen«, schlug ich vor.
»Kann ich nicht einfach hierbleiben? In deinem Haus schlafen? Mit Linus? Oder würde dich das stören?«
»Ich wohne nicht mehr hier.« Ich war fassungslos. Der Junge wollte in dem Haus übernachten, in dem seine Mutter erschlagen worden war?
»Warum nicht?«
»Kann ich nicht.«
»Jetzt klingst du wie mein Vater. Du läufst auch davon.«
»Ich laufe vor nichts davon«, sagte ich. »Ich habe dir alles erzählt.«
»Du läufst vor einem Haus davon. Wahrscheinlich wirst du das Restaurant auch zumachen, irgendwo anders hingehen und hoffen, dass es da keine Katastrophen gibt. Aber die sind überall. Sogar in uns selbst.«
»Komm her, Linus!«, rief ich. Der Hund blieb, wo er war.
»Er hat noch nie auf dich gehört.« Daniel kraulte das schwarze Ungetüm zwischen den Ohren. »Erzähl mir von dem Freund meiner Mutter. Sie wollte ihn heiraten, hat sie mir gesagt. Hast du ein Foto?«
»Hat sie dir keins geschickt?«
»Nein. Hast du ein Foto von ihm?«
»Nicht direkt«, antwortete ich. Jakob hatte das Familienfoto in der Einkehr gelassen, damit wir es einscannen und Marcel nach Sankt Vith
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